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Wirtschaft: Das Ende einer Epoche rückt immer näher

WASHINGTON .Ein Jahr lang, von Herbst 1997 bis November vergangenen Jahres, war die US-Notenbank, die Federal Reserve, bemüht, der heimischen Wirtschaft den Weg durch die Wirren der asiatischen Finanzkrisen zu ebnen, den Funken der Rezession nicht von Asien auf Amerika überspringen zu lassen.

WASHINGTON .Ein Jahr lang, von Herbst 1997 bis November vergangenen Jahres, war die US-Notenbank, die Federal Reserve, bemüht, der heimischen Wirtschaft den Weg durch die Wirren der asiatischen Finanzkrisen zu ebnen, den Funken der Rezession nicht von Asien auf Amerika überspringen zu lassen.Ihre Zinssenkungen bis Ende 1998 schlossen sich folgerichtig an die Politik der Vorjahre an.Seither liegen die Fed-Funds, die das Tagesgeld unter Banken steuern, bei 4,75 Prozent, der Diskontsatz beträgt 4,5 Prozent.

Doch das Ende einer Epoche, der Periode der Niedrigzinsen, ist nahe.Jetzt sorgt sich die Fed wieder mehr um die innere Stabilität und weniger um das Wachstum, denn dynamisch genug ist die amerikanische Wirtschaft immer noch.Das Überraschende an dem jetzigen Vorsorge-Beschluß des Offenmarktausschusses der Fed ist, daß er erstmals vor künftigen Zinssteigerungen warnt.

Erst am vergangenen Freitag hatte das US-Arbeitsministerium eingestanden, daß sich die Verbraucherpreise in den ersten vier Monaten mit einer Jahresrate von 3,3 Prozent erhöht hatten.Das ist eine Verdoppelung der vorjährigen Inflation von 1,6 Prozent.

Auch wenn es rationale Erklärungen für die primär nicht auf dem Binnenmarkt generierten Preissteigerungen gibt, wie etwa die Erhöhung der Rohöl- und damit der Benzinpreise, durfte die Notenbank die starke Inflationsbeschleunigung nicht ignorieren.

Das ist ein Bruch mit der bisher geübten Praxis des "Wait and See", eine Verabschiedung des so lange gepflegten "neutralen" Standpunktes.Der Offenmarktausschuß und Notenbankchef Alan Greenspan orientieren sich prinzipiell nicht an kurzfristigen Daten, sondern wollen die langfristige Tendenz im Auge behalten, um Zinsbeschlüsse, die die Wirtschaft insgesamt tangieren, besser abzuwägen.Nach der ungewöhnlichen Ankündigung weiß die Wirtschaft, was sie zu erwarten hat.

Greenspan hatte in den vergangenen Wochen, auch bei Anhörungen im Kongreß, schon vor den Folgen einer konjunkturellen Überhitzung gewarnt.Die amerikanische Wirtschaft ist nach Schätzungen des Washingtoner Handelsministeriums im ersten Quartal real um 4,5 Prozent gewachsen.

Bereits im Vormonat hatten die Regierung von Präsident Bill Clinton und die Fed eingestanden, daß die Preisentwicklung sich in diesem Jahr etwas beschleunigen werde.Kaufkraftverluste von 1,6 Prozent wurden von Kongreßpolitikern schon als unnatürliche Stabilität gedeutet.Die Notenbank hat die Sorge, daß ihr die Kontrolle der Wirtschaft aus den Händen gleiten könnte.Zweifellos haben die jahrelangen Niedrigzinsen die Spekulation an der Wall Street angeheizt.

Die Aktienmärkte hatten erst am vergangenen Donnerstag einen neuen Rekord erreicht.Obwohl der Dow-Jones-Index nach der Ankündigung künftiger Zinsanhebungen abermals nach unten drehte, befürchten die Märkte jetzt keine abrupte Wende des Konjunkturtrends in den negativen Bereich: Dazu ist die Bremsstrecke des Schiffes USA zu lang.Aber der Beschluß des Offenmarktausschusses ist mehr als eine Warnung: Er signalisiert auch, daß die Notenbank es mit der Verteidigung der Stabilität ernst nimmt.

Verliert die amerikanische Ökonomie jetzt ihre Lokomotivfunktion für die Weltwirtschaft? Wohl kaum.Werden die Verbraucher in den USA, die die Konjunktur so nachhaltig befeuern, von wahrscheinlich schon bald steigenden Zinsen in ihrer Konsumwut gebremst? Daran sind Zweifel angebracht.Nicht die absolute Höhe der Zinsen ist für Amerikaner von Bedeutung, sondern die Tragbarkeit der monatlichen Belastungen.Steigen die Zinsen, wird die Tilgung von Schulden einfach etwas gestreckt, auch wenn der Schuldenberg dadurch immer weiter wächst.(HB)

DIETRICH ZWÄTZ

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