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Wirtschaft: Das englische Patent

Wirtschaftsverbände drängen auf Änderung der Rechtsform GmbH / Britische „Ltd“ wird immer beliebter

Berlin - Sie war einmal ein Exportschlager. Portugal, Brasilien, Equador, später Argentinien und Kolumbien: die GmbH, das deutsche Abkürzungsungetüm für „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, war Vorbild für Unternehmensrecht in aller Welt. Das ist lange her, und auch wenn die GmbH nach wie vor die beliebteste Rechtsform zur Unternehmensgründung in Deutschland ist: Heute interessiert sich niemand mehr im Ausland für die seit 1892 nahezu unveränderte Basis für die Gründung einer Handelsgesellschaft. Noch schlimmer: Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2003 entschieden hat, dass eine in einem EU-Mitgliedstaat gegründete Kapitalgesellschaft in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sei, geraten ausländische Rechtsformen hierzulande in Mode.

Vor allem der boomenden englischen „Limited“ (Ltd.) wollen Politik und Industrieverbände jetzt den Kampf ansagen und die verstaubte GmbH wieder attraktiver machen. Gestern legte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) konkrete Formulierungshilfen für ein neues GmbH-Gesetz vor. Denn der Handlungsbedarf ist groß: 2005 entschieden sich deutsche Unternehmer in über 3000 Fällen für die „Limited“ – vor allem wegen der zügigen und unbürokratischen Gründung (ein Tag bis zwei Wochen im Gegensatz von bis zu drei Monaten bei der GmbH) und weil kein Mindeststammkapital erforderlich ist (bei der GmbH dagegen 25 000 Euro). Dafür nehmen deutsche Unternehmer auch ein „registered office“ in England in Kauf, wo alle relevanten Dokumente aufbewahrt werden müssen. Doch Experten warnen seit langem vor den Fallstricken der „Ltd“: So gelten britische Offenlegungspflichten, ein Jahresabschluss muss in englischer Sprache erbracht werden – und sollte im obligatorischen Prüfertestat ein Fehler vorkommen, können die britischen Behörden die Ltd löschen. Das Vermögen fällt dann der britischen Krone zu.

Martin Heidenhain, für die BDI-Studie verantwortlicher Unternehmensexperte bei der Berliner Anwaltskanzlei Hengeler Mueller, empfiehlt deshalb dringend, die Gründungsprozeduren der GmbH zu vereinfachen, da die deutsche Rechtsform „für Unternehmer eigentlich einfacher zu durchschauen und wesentlich liberaler“ sei. Sein Kollege Cord-Georg Hasselmann formuliert es direkter: „Für einen deutschen Friseur ist die Ltd. komplett ungeeignet“.

Um die GmbH aufzuhübschen, schlagen die Experten die Verwendung standardisierter Vorlagen von Gesellschaftsverträgen vor, um künftig „beschleunigte Standard-Gründungen“ zu ermöglichen. Zudem empfehlen sie, das Mindeststammkapital deutlich abzusenken – als „Hausnummer“ kann sich Hasselmann 10 000 Euro vorstellen. Weitere Elemente der GmbH-Reform: Der Wegfall der notariellen Beurkundung beim Abschluss von Gesellschaftsverträgen, mehr Transparenz bei der Veröffentlichung von Gesellschafteranteilen (noch immer können Außenstehende nicht mit Sicherheit feststellen, wer Gesellschafter ist) und eine Verbesserung des Gläubigerschutzes durch die Einführung von Ausschüttungsbeschränkungen an die Gesellschafter.

Wann sich der Gesetzgeber mit der GmbH-Novelle befassen wird, ist offen. Beim BDI hofft man auf das zweite Quartal 2006, nachdem Union und SPD sich im Koalitionsvertrag auf eine zügige Novelle geeinigt hatten. Im Justizministerium will man sich zu Zeitplänen nicht äußern. „Das könnte schneller gehen“, klagt man beim BDI – und verweist darauf, dass eine Neuregelung des GmbH-Rechts einen charmanten Vorteil habe: Sie kostet nichts.

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