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Wirtschaft: Das Essen war gut

Beim abendlichen Gespräch mit Gewerkschaftern legen sich Merkel und Müntefering nicht fest

Von Robert Birnbaum

Berlin - Gewerkschaften und Arbeitgeber nehmen die Bundesregierung beim Thema Mindestlohn in die Zange. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) droht mit weit reichenden Folgen. „Wer gesetzliche Mindestlöhne fordert, stellt die Tarifautonomie grundsätzlich in Frage“, sagte Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg dem Tagesspiegel. Die 13 führenden Gewerkschaftsvertreter hatten am Mittwochabend ihre Mindestlohn-Forderung bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt.

Doch die Regierungschefin, Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) und die Fraktionen sind weit davon entfernt, sich festzulegen. „Es gibt ernsthaft keine Planungen bisher“, sagte ein hoher Regierungsbeamter. Auch in Union und SPD wurden Berichte über angebliche erste konkrete Zahlen für einen Mindestlohn übereinstimmend als „Unfug“ eingestuft. Zum einen will man vor den Landtagswahlen Ende März keinen Streit, zum anderen sind die Alternativen noch nicht zu Ende gedacht. Müntefering sondiert derzeit bei Arbeitgebern und Gewerkschaften, „ohne eine Marschrichtung erkennen zu lassen“, wie es aus seinem Umfeld heißt. Die Arbeitsgruppe der SPD, die ihn bei der Suche nach einem für den Herbst angekündigten Vorschlag unterstützen soll, hat noch nicht getagt. SPD-Fraktionschef Peter Struck sieht die Frage, welche Variante zum Zuge kommt, „noch längst nicht beantwortet“. So sei offen, ob man nach Branchen oder Regionen differenzieren müsse.

Von Zahlen sei bisher nicht die Rede gewesen, heißt es auch in der Union. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der mit seinem CSU-Kollegen Markus Söder eine Arbeitsgruppe zu dem Thema leitet, hat gerade erst die Tarifparteien aufgerufen, einen Vorschlag zu machen. In der Unionsspitze gibt es seit längerem Sympathie für eine Mischung aus Mindest- und Kombilöhnen. Merkel hat mehrmals intern darauf hingewiesen, dass der Kombilohn eine Festlegung auf eine Art Mindestlohn als Berechnungsgrundlage voraussetzt – nur bis zu dieser Grenze könnte der Staat eine niedriger bezahlte Tätigkeit subventionieren. Eine Überlegung in der Union geht dahin, einen Mindestlohn für normale Beschäftigungsverhältnisse festzulegen, davon aber Kombilohn-Jobs und alle Tarifverträge auszunehmen, die eine Lohngruppe unterhalb der Mindestlohngrenze vorsehen. „Wir dürfen keinen Mindestlohn haben, bei dem alle diese Tarifverträge obsolet werden und dann diese Arbeitsverhältnisse auch noch wegfallen“, sagte ein Unionsexperte.

Laut BDI würde ein flächendeckend einheitlicher Mindestlohn insbesondere im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze gefährden. „Wir kennen bisher kein Mindestlohn-Kombilohn-Modell, bei dem nicht entweder Arbeitsplätze vernichtet werden oder die Kosten der Finanzierung aus dem Ruder laufen oder sogar beides“, sagte von Wartenberg.

Gewerkschaftsvertreter äußerten sich positiv über das Essen im Kanzleramt. Knapp viereinhalb Stunden saßen die fünf Vorstandsmitglieder des DGB und die acht Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften mit Kanzlerin und Vizekanzler bei Schaumsüppchen, Perlhuhn und Käseplatte zusammen. „Es ist nichts ungesagt geblieben“, hieß es in Teilnehmerkreisen. Das Gespräch sei freundlicher verlaufen als ähnliche Treffen mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder (SPD). Festgelegt habe sich Merkel an keinem Punkt. „Die fragt nur.“ Merkel und Müntefering sagten zu, beim Thema Mindestlohn Erfahrungen der Nachbarländer heranziehen. In 19 der 25 EU-Mitgliedstaaten gilt ein gesetzlicher Mindestlohn.

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