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Wirtschaft: Das Für und Wider würdigen

Können Hausbesitzer die Kosten eines Prozesses gegen ein Bauunternehmen steuerlich geltend machen?

WAS STEHT INS HAUS?

Wir haben jahrelang eine gerichtliche Auseinandersetzung mit unserem Bauunternehmer geführt. Dieser sollte unser Haus umfassend instand setzen und modernisieren. Vor wenigen Wochen haben wir diesen Prozess in letzter Instanz im Wesentlichen verloren. Insgesamt bleiben wir auf Kosten für Sachverständige, Gerichte und Rechtsanwälte in Höhe von rund 19 000 Euro sitzen. Wir möchten diese Kosten jetzt wenigstens noch in unserer Einkommenssteuererklärung als „außergewöhnliche Belastungen“ steuermindernd geltend machen. Werden wir damit Erfolg haben? Was raten Sie uns?

WAS STEHT IM GESETZ?

Nach 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außergewöhnliche Belastungen sind dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Bislang hatte der Bundesfinanzhof (BFH) die Kosten eines Zivilprozesses nur in absoluten Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Es musste sich um „zwangsläufige Aufwendungen“ handeln. Sie wurden nur anerkannt, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Diese Rechtsprechung hat der BFH in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 (Aktenzeichen: VI R 42/10) aufgegeben. Er hat nunmehr entschieden, dass Zivilprozesskosten dann als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien, „wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider – auch des Kostenrisikos – eingegangen sein“. Demgemäß seien Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg böte.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Die neue Rechtsprechung des BFH ist außerordentlich zu begrüßen. Sie wird den Anwendungsbereich der sogenannten außergewöhnlichen Belastungen enorm erweitern. In der oben zitierten Entscheidung ging es zwar um um die Fortzahlung von Krankengeld. Der BFH hat jedoch ausdrücklich klargestellt, dass diese Rechtsprechung für alle Zivilprozesskosten gilt, unabhängig davon, welchen Gegenstand sie betreffen. Ich meine deshalb, dass natürlich grundsätzlich auch Prozesskosten aus einem Werkvertrag, wie in Ihrem Fall, hierunter fallen. Allerdings müssen Sie darstellen, dass der Prozess hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt wurde. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich gewesen sein wie der Misserfolg. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit wohl gelingen.

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