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Wirtschaft: „Das ganze Paket ist ein Fortschritt“

Die Sicht von Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Herr Heise, hat der Euro-Gipfel den nötigen Befreiungsschlag erzielt?

Das ist ein zu großes Wort. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung der fiskalischen Integration, der aber keine vorschnelle Vergemeinschaftung nationaler Schulden bringt. Das ist für den Zusammenhalt der Euro-Zone wichtig. Langfristig werden die Märkte das honorieren.

Welche Schritte fehlen denn?

Über eine Änderung der EU-Verträge hätte man der EU-Kommission ein Eingriffsrecht in nationale Haushalte geben können, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Ohne Zwang wird man Verschuldungskriterien auf Dauer nicht durchsetzen können. Es muss Souveränität übertragen werden. Aber das kann noch kommen, vielleicht sogar in dem Vertrag, der bis März ausgehandelt werden soll. Positiv ist, dass es jetzt relativ schnell geht.

Ist die Euro-Zone die neue Europäische Union?

Nein. Der Euro spaltet Europa nicht, sondern der Erfolg der gemeinsamen Währung wird andere Länder anziehen. Daran müssen wir allerdings arbeiten.

Wie gefährlich ist die britische Isolation?

Nicht sehr. Man kann den Euro-Staaten keinen Vorwurf machen, dass sie ohne Großbritannien handeln. Es gab keinen anderen Weg. Die Briten haben ihre Isolation selbst herbeigeführt, und nun müssen sie mit den Konsequenzen leben.

Kann die EZB nun aufhören, Staatsanleihen kriselnder Staaten aufzukaufen?

Die EZB muss vor allem Druck machen, dass der Reformwille in den Mitgliedsstaaten nicht erlahmt. Das tut Mario Draghi auch. Ich finde gut, dass er nicht den Anschein erweckt, die EZB werde die Probleme mit Anleihekäufen lösen.

Sind die Märkte jetzt zufrieden?

Die Zuversicht steigt. Die Beschlüsse von Brüssel können für Entspannung sorgen und die Risikoprämien verringern. Hinzu kommt, dass in Italien, Griechenland und Spanien Reformen sichtbar werden. Auch der vorgezogene Rettungsfonds ESM und die Kreditlinien für den IWF sind hilfreich. Das ganze Paket der vergangenen Wochen ist ein wesentlicher Fortschritt.

Welches Problem ist größer: weiterhin die Staatsverschuldung oder die notwendige Rekapitalisierung der Banken?

Die ernste Lage der Banken wird durch den künftig geforderten Kapitalpuffer unnötig verschärft. Die aus dem Ruder gelaufene Staatsverschuldung ist aber eindeutig das größere Problem. Wir könnten die Banken nicht mit so viel Kapital ausstatten, dass sie die Insolvenz eines großen europäischen Landes überstehen würden. Die Probleme müssen an der Wurzel gelöst werden, nämlich in den Staaten selbst. Dann gewinnen auch die Staatsanleihen in den Büchern der Banken wieder an Wert.

Michael Heise kam über die Dresdner Bank zur Allianz. Er

berät die Vorstände der Versicherung in strategischen und volkswirtschaftlichen Fragen. Mit ihm sprach Moritz Döbler.

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