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Wirtschaft: Das Geheimnis des Reform-Erfolgs

Warum das Bündnis für Arbeit gescheitert ist, die Hartz-Kommission erfolgreich war und Bert Rürup es schwer hat

Von Werner Eichhorst

und Anke Hassel

Im Lauf der vergangenen Legislaturperiode hat die Bundesregierung im Bündnis für Arbeit und in der Hartz-Kommission versucht, die immer schlimmer werdende Beschäftigungskrise in Deutschland zu lösen. Heute sieht Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement den Arbeitsmarkt bereits so weit flexibilisiert, dass er für den Lauf des Jahres ein deutliches Sinken der Arbeitslosigkeit erwartet. Haben aber das Bündnis und die Kommission die Reformfähigkeit auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik tatsächlich vergrößert? Ist für diejenigen, die Arbeit haben oder als Unternehmen Erwerbstätige beschäftigen, der Druck gewachsen, die Arbeitslosen wieder in den Erwerbsprozess zu integrieren?

Und, wenn nicht: Welche Erfolgsaussichten hat die Wiederbelebung des Bündnisses für Arbeit? Ist die Hartz-Kommission ein Vorbild für weitere Reformrunden?

Der deutsche Arbeitsmarkt weist nicht nur ein generelles Beschäftigungsdefizit auf, er ist nach wie vor einer der am stärksten segmentierten in Europa. Dies gilt für den Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Stellensuchenden, aber auch für den Rückstand beim Beschäftigungsniveau, den bestimmte Personengruppen wie Frauen, Geringqualifizierte oder ältere Arbeitskräfte gegenüber dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen aufweisen. Auch sind die Übergänge aus Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit in Zeitarbeit, befristete Beschäftigung, Teilzeitarbeit, aber auch in unbefristete Vollzeittätigkeit schwieriger als in anderen Ländern.

Warum das so ist? Im Grunde ist es paradox: Weil die soziale Sicherheit über Sozialbeiträge finanziert wird, Kündigungsschutzvorschriften die benachteiligten Gruppen besonders schützen, Mitbestimmung und die Lohnstruktur ein stabiles, gut entlohntes und abgesichertes Normalarbeitsverhältnis belohnen, ist der Arbeitsmarkt für qualifizierte Männer mittleren Alters zugeschnitten, die in größeren Betrieben arbeiten. Das heißt, dass die anderen Gruppen, die Außenseiter, mit weniger Arbeit leben müssen.

Wenn die Arbeitslosigkeit sinken soll, muss sich das ändern. Strukturreformen würden jedoch die Privilegien der Insider hinsichtlich Beschäftigungssicherheit und Vergütungsniveau in Frage stellen. Um als Bündnis für Arbeit oder als Kommission erfolgreich zu sein, müssen die Insider davon überzeugt werden, dass auch sie langfristig einen Nutzen haben, wenn die Außenseiter wieder integriert werden.

In dieser Hinsicht war das Bündnis für Arbeit nicht erfolgreich. Im Bündnis kamen keine wesentlichen Beschlüsse zur Förderung der Unternehmenstätigkeit und zur strukturellen Reform der Sozialsysteme zu Stande. Im Gegensatz dazu wurde die Hartz-Kommission erst im letzten Jahr der Legislaturperiode ins Leben gerufen. Die Kommission erhielt den Auftrag, ein Gesamtkonzept zur Modernisierung der Arbeitsmarktverwaltung zu entwickeln. Sie setzte sich aus Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber sowie Politikern der gebietskörperschaftlichen Ebenen, Unternehmern, Unternehmensberatern und Wissenschaftlern zusammen und durchbrach damit die drittelparitätische Struktur des Bündnisses für Arbeit. Das Ergebnis: Das Konzept der Hartz-Kommission soll nach dem Willen der Regierung „eins zu eins“ umgesetzt werden.

Was aber trug zum Gelingen von Hartz bei? Erstens hatte die Kommission mit Peter Hartz einen Vorsitzenden, der eigene Vorgaben entwickeln und die Kommission von seinen Ideen überzeugen konnte. Er hat mit seiner eigenen Reputation an bestimmten Stellen verbandliche Widerstände überwinden und in Einzelbereichen bestehende Tabus und ritualisierte Auseinandersetzungen aufbrechen können.

Im Unterschied zur Rolle der Minister und des Kanzleramts im Bündnis für Arbeit hat Peter Hartz als Kommissionsvorsitzender eine beschäftigungspolitische Leitlinie vorgegeben und weitgehend durchgesetzt. Zweitens war der Zeitdruck von entscheidender Bedeutung. Der Bericht der Hartz-Kommission musste vor der Bundestagswahl vorgelegt werden. Dies setzte alle Beteiligte unter einen Einigungsdruck.

Wenn die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Bündnis für Arbeit und Hartz- Kommission darin bestehen, dass die eigenständige Reformkonzeption von Peter Hartz und der im Vergleich zum Bündnis stärkere Druck zu einer Akzeptanz von Sozialreformen geführt hat, dann stellt sich die Frage, inwieweit dieses Verfahren vorbildhaft zum Beispiel für die Gesundheitskommission von Bert Rürup ist. Gegen eine Verallgemeinerung des Hartz-Prinzips spricht: Weder die Situation, in der die Kommission entstanden ist und ihre Arbeit geleistet hat, noch führungsstarke Kommissionsvorsitzende lassen sich beliebig vermehren. Künftig werden sich die Verbände auf die Mechanismen der Hartz-Kommission einstellen.

Vielleicht besteht der wichtigste Effekt der Hartz-Kommission darin, dass durch die Kommission und ihren Bericht die Einsicht in die Notwendigkeit von Sozialreformen in der Öffentlichkeit stärker verankert werden konnte. Mittlerweile gehen auch manche Insider auf dem deutschen Arbeitsmarkt davon aus, dass weitreichende Strukturreformen notwendig sind.

Werner Eichhorst und Anke Hassel sind Arbeitsmarktexperten und Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung

Werner Eichhorst, Anke Hassel

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