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Wirtschaft: Das geht runter wie Öl

Der Ölpreis ist enorm gesunken, die Opec hat deswegen ihre Fördermenge deutlich reduziert. Sind die niedrigen Ölpreise angesichts der weltweiten Finanzsituation eine positive Entwicklung?

3, 5, 30, 50 oder knapp 150 Dollar für ein Barrel Rohöl (159 Liter) – all diese Preise haben wir in den vergangenen 35 Jahren erlebt. Und damit zu leben gelernt. Im Juli dieses Jahres erreichte der Preis mit 147 Dollar einen Rekordwert, mit entsprechenden Folgen: Heizöl, Benzin und Diesel wurden teuer, auch Flugreisen. Spediteure blockierten Autobahnen mit ihren Lkw, Hochseefischer Europas Häfen, um staatliche Beihilfen zu erpressen. Konjunkturforscher mahnten im Sommer täglich, dass der hohe Ölpreis die eh schon angeschlagene Konjunktur in Deutschland ganz abwürgen dürfte. Die politische Debatte bewegte sich zwischen Panik und Pendlerpauschale – damals, als ein Fass Rohöl fast 150 Dollar kostete.

Am gestrigen Freitag kostete ein Barrel (je nach Sorte) zwischen 61 und 64 Dollar, rund vier Dollar weniger als am Vortag. Auch die Vertreter der Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) konnten den stetigen Preisverfall der vergangenen Wochen kaum bremsen. Sie hatten sich am Freitag auf einer Sondersitzung in Wien geeinigt, täglich 1,5 Millionen Barrel weniger zu fördern. Derzeit holen sie täglich rund 31 Millionen Barrel aus der Erde.

Je teurer das Öl, desto besser für die Opec und schlechter für Verbraucher in Deutschland. Diese schlichte Gleichung liegt nahe; und doch geht sie nicht auf. Eine Bewertung des Ölpreises ist nur sinnvoll, wenn man sie im historischen Kontext betrachtet.

Als die Opec 1973 beschloss, die Fördermenge um etwa fünf Prozent zu senken, war das für die Welt ein Schock. Der Preis für ein Barrel schoss um rund 70 Prozent nach oben – von heute lächerlichen drei auf fünf Dollar. In Deutschland gab es autofreie Sonntage, erste Tempolimits. Viel später kam heraus, dass die Falken in den USA und Großbritannien sogar forderten, Fallschirmjäger an den Golf zu schicken, um Ölfelder in Saudi- Arabien und Kuwait zu besetzen – weil ein Fass Öl fünf Dollar kostete, nicht 150 oder 60 Dollar wie im Jahr 2008.

Mal abgesehen von allen politischen Motiven der Opec und Verzerrungen durch Umtauschkurse zwischen dem Dollar und anderen Währungen: Ein hoher Ölpreis muss nicht pauschal „schlecht“ sein. Mittel- und langfristig setzten Preisanstiege stets enorme Kräfte frei.

Zeitzeugen des Ölpreisschocks von 1973 berichten heute von ihren Rollschuh- und Fahrradfahrten auf der Autobahn, weil es prägende spektakuläre Ereignisse waren. Fast vergessen aber ist, welchen technologischen Fortschritt das Ereignis auslöste: Ölkonzerne investierten in neue Fördertechnologien, konstruierten sicherere Pipelines. Autohersteller entwickelten effektivere Motoren, die weniger Sprit brauchten.

Auch in diesem Sommer schob der Rekordpreis neue Techniken an. Über den entscheidenden Verhandlungen zur Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) schwebte auch das Szenario, dass der Rohölpreis gen 200 Dollar pro Barrel klettern könnte und man endlich die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen reduzieren müsse. Autohersteller schoben neue Forschungen für Elektroautos an – vor dem Hintergrund, dass spritfressende Pkw (selbst in den USA) praktisch unverkäuflich wurden.

Sind 60 Dollar pro Barrel also ein „guter“ Preis? Zumindest für den Moment? Das liegt im Auge des Betrachters. „Einige Opec-Staaten werden darauf hinarbeiten, dass der Preis mindestens auf 75 bis 80 Dollar steigt, weil sie diesen in ihren Staatsbudgets so veranschlagt haben“, sagt Gabor Vogel, Rohstoffexperte der DZ-Bank in Frankfurt. Er geht davon aus, dass sich der Preis 2009 bei rund 80 bis 90 Dollar stabilisiert. Verbraucher profitieren dagegen zunächst von Niedrigständen. Derzeit sinkt die Inflation vor allem wegen des billigen Öls. Da mag man sich wünschen, dass der Preis gar Richtung 40 Dollar und tiefer sinkt, was Heizöl und Benzin weiter verbilligen würde. „Ein Ölpreis auf diesem Niveau würde aber bedeuten, dass wir in einer schweren Rezession stecken“, sagt Vogel. Dass es so weit kommen wird, davon geht er derzeit aber nicht aus.

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