zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Das Geschäft mit dem schmutzigen Geld

Ein Heer von Indern lebt von der Reparatur und dem Umtausch verschmutzter oder zerrissener Rupienscheine

Von Eric Bellmann

Bimal Jain steht in der riesigen Lobby der indischen Zentralbank. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Müllbeutel voller zerrissener Geldscheine. Einer seiner Assistenten erscheint, nimmt ein Bündel beschädigter 10-Rupien-Scheine und reiht sich in eine der chaotischen Warteschlangen vor den Schaltern ein. Eine Weile später kommt ein anderer Assistent mit einem Stapel druckfrischer 5-Rupien-Banknoten zurück, die Herr Jain in seine Tasche stopft. „An manchen Tagen tauschen wir mehr als 10000 Banknoten“, prahlt Herr Jain. „Das Geschäft läuft gut." Herr Jain ist einer der zahlreichen legalen Geldwäscher Indiens. Mit Seife, Wasser, Klebeband und Einfallsreichtum richten sie Indiens abgenutzte Geldscheine soweit her, dass sie in der indischen Zentralbank getauscht werden können.

Herr Jain streift jeden Tag durch die krummen kleinen Seitenstraßen Delhis und kauft dreckige und ramponierte 2-, 5-, 10- und 20-Rupien-Scheine, die niemand außer Bettlern akzeptieren würde, unter Wert auf. Dann wäscht er sie gründlich, trocknet und flickt sie, um sie sodann in der indischen Zentralbank im Verhältnis 1 zu 1 umzutauschen.

Solange die Notenbank das Problem nicht in den Griff bekommt, müssen die Inder mit Geldscheinen leben, von denen manche so verschmutzt sind, dass man nicht mehr sehen kann, welchen Wert sie haben. Andere haben dort, wo Mahatma Gandhis Gesicht sein sollte, Löcher. In einigen ländlichen Gegenden dauert es so lange, bis neues Geld ankommt, dass die Hälften unterschiedlicher 5-Rupien-Scheine zusammengeklebt sind oder Plastiktütchen mit Stücken alter Geldscheine als Währung akzeptiert werden.

Die indische Notenbank hat allein mehr als 5000 Angestellte, die prüfen, ob Banknoten noch verwendbar sind. Derweil floriert das Geschäft der Geldwäscher. In der Altstadt von Delhi gibt es eine Reihe von Geldwechselstuben, die beschädigte Banknoten annehmen. Jedes dieser Geschäfte hat „Geldschuster“ beschäftigt, die Geldschein für Geldschein reparieren. Damit die Zentralbank die Banknote akzeptiert, müssen mindestens die Hälfte des Geldscheines und mindestens vier Ziffern der neunstelligen Seriennummer erhalten sein. Viele der winzigen Geldreparaturläden haben Schachteln mit Rupienfetzen, die sie kunstvoll an beschädigte Banknoten ankleben. Das Härteste an dem Job ist aber, das hochkomplizierte Regelwerk des Tauschens zu durchschauen. Bimal Jain verbringt fast den ganzen Tag in der Lobby der Zentralbank in Delhi. Er hat ein Heer von Läufern beschäftigt, das sich zwischen ihm und den Dutzenden Bankschaltern hin und her bewegt.

Die vielen Warteschlangen, manche mehrere hundert Menschen lang, machen es dem Durchschnittsmenschen fast unmöglich, durch die Bank zu gehen. Die Läufer und ihre Verteiler treffen zwei Stunden vor der Öffnungszeit bei der Zentralbank ein, um einen guten Platz in der richtigen Reihe zu bekommen. Herr Jain beschäftigt viele Frauen, weil die sich ganz vorne einreihen dürfen. Die richtige Reihe auszusuchen, ist eine Kunst für sich. Für jeden Rupienschein gibt es einen anderen Schalter. Außerdem hängt die Auswahl des richtigen Schalters von der zu tauschenden Menge sowie dem Beschädigungsgrad ab.

Und es geht turbulent zu: Alle brüllen durcheinander, dass sie zuerst da waren und manche werden auch handgreiflich. Die täglichen Rangeleien nahmen im April so zu, dass die Zentralbank den professionellen Geldwechslern für vier Tage Hausverbot erteilte.

Nichtprofessionelle Geldwechsler stecken womöglich den ganzen Tag in der Zentralbank fest, um ein paar zerrissene Rupien zu tauschen. Sie sind deshalb gerne bereit, Herrn Jain für das Wechseln ihrer Banknoten 20 Prozent des Erlöses zu zahlen. „Die Leute haben nicht die Beziehungen, um zu tun, was ich tue“, sagt Herr Jain. „Ich mache das hier seit 25 Jahren."

Die indische Notenbank hat neue Druckmaschinen und stärkeres Papier gekauft, um Banknoten herzustellen, die die indischen Bedingungen aushalten. Die Bank wird zudem bald Maschinen verwenden, die 50000 Geldscheine in der Stunde auf Echtheit und Tauglichkeit prüfen können. Sie hofft, dass die neuen Maschinen die Geldwäscher überflüssig machen. Herr Jain macht sich aber keine Sorgen. „Ich werde meinem Sohn dieses Gewerbe beibringen“, sagt er und bindet seinen Sack mit den frischen Geldscheinen zu. „Es ist ein gutes Geschäft.“

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (FBI), Svenja Weidenfeld (Indien), Tina Specht (Hochwasser) und Christian Frobenius (Hongkong, Terroristen).

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false