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Wirtschaft: Das Jahr wird turbulent

FRANKFURT/MAIN .Während der vergangenen Jahrzehnte galt die Aufmerksamkeit der Börsianer zur Jahreswende meist der künftigen Zinsentwicklung und weniger dem Wohl und Wehe der Weltwirtschaft.

FRANKFURT/MAIN .Während der vergangenen Jahrzehnte galt die Aufmerksamkeit der Börsianer zur Jahreswende meist der künftigen Zinsentwicklung und weniger dem Wohl und Wehe der Weltwirtschaft.Dies ist in diesem Jahr anders.Im vergangenen Jahr erwies sich der Zins zweifellos als die treibende Kraft hinter der in den Industrieländern nach starkem Auf und Ab letztlich doch sehr erfreulichen Entwicklung der Aktienkurse.Für das neue Jahr stellt sich die Situation vor dem Hintergrund der teilweise auf Rekordtief befindlichen Zinsen jedoch deutlich anders dar.

So mancher Anleger fragt sich in diesen Tagen, ob die durch Hedge Fonds an den Aktienbörsen ausgelöste Schwächeperiode im Spätsommer ein Vorbote einer bevorstehenden tiefen Baisse war.Wenn sich der Teil der Welt, in dem einerseits rund 85 Prozent der etwa sechs Milliarden Menschen ausmachenden Erdenbevölkerung leben, in dem auf der anderen Seite allerdings "nur" etwa die Hälfte der globalen gesamtwirtschaftlichen Leistung erarbeitet wird, in einer tiefen strukturellen Krise befindet, dürfen die wirtschaftlich bislang noch starken Industriestaaten nicht unbesorgt zur Tagesordnung übergehen.

Die Gefahr eines sich verschärfenden Abwertungswettlaufs und von in diesem Zusammenhang zunehmenden protektionistischen Tendenzen stellt in einer von Barrieren und Restriktionen immer stärker befreiten Wirtschaftswelt nur ein Risiko für die Stabilität der Finanzmärkte dar, da hiermit weiter zunehmende Ungleichgewichte verbunden wären.Während die asiatischen Länder mit der Gefahr einer Hyperinflation leben müssen, darf auf der anderen Seite das Risiko einer sich von Japan eventuell auf die anderen Industrienationen ausbreitenden Deflation nicht unterschätzt werden.

Kein Zweifel: Der Schlüssel für die Entwicklung der Globalökonomie liegt nicht so sehr in der in Aufbruchstimmung befindlichen europäischen Region, sondern vor allem in Japan.Die im Lande Nippons nach wie vor ungelöste Strukturkrise stürzte nicht nur die asiatischen Nachbarstaaten, sondern auch andere Emerging Markets im vergangenen Jahr in ein verheerendes ökonomisches Chaos.

Bei aller Konjunkturskepsis stehen die Chancen recht gut, daß das zu neuem Leben erwachte Europa von den USA im gerade begonnenen Jahr die Rolle der Konjunkturlokomotive übernehmen kann.Allerdings drängen sich angesichts des in zahlreichen europäischen Ländern vollzogenen politischen Linksrucks immer wieder Fragen nach der Haushalts-Disziplin auf.Optimistisch betrachtet, vollzog sich das gelungene Euro-Debüt vor dem Hintergrund der Traumkonstellation absoluter Preisstabilität bei mäßig wachsenden Volkswirtschaften.

Pessimistisch gesehen ist festzustellen, daß zwischen Disinflation und Deflation ein nur sehr schmaler Grat existiert.Einige Anzeichen sprechen jedoch dafür, daß die Gefahr deflationärer Tendenzen geringer wird.Dort, wo zum Beispiel die beiden noch mächtigen "B" dieser Welt - nämlich Bill und Boris - aufgrund ihrer männlich-menschlichen Schwächen als Spitzenpolitiker der beiden Weltmächte USA und Rußland deutlich angeschlagen erscheinen, sollte der Anleger mit Störungen von der Politfront rechnen.

All diese Gefahren finden in der zweiten Haussesäule - nämlich der Ertrags-Situtation der Wirtschaft - ihren Niederschlag.Es ist zu erwarten, daß die Gewinndynamik der Unternehmen sowohl in Nordamerika als auch in Europa in diesem Jahr deutlich abflauen wird.Diese wackelige Säule kann indes nur für eine gewisse Zeit durch das nach wie vor sehr starke monetäre Fundament ausgeglichen werden.Es ist für das laufende Jahr zu erwarten, daß die Zinsen weiter sinken.Am Beispiel Japan wird jedoch ersichtlich, daß der Zins allein die Stabilität der Aktienkurse nicht gewährleisten kann.

UDO RETTBERG (HB)

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