zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Das Kapital soll an die Kette

DGB-Chef Sommer: Politik muss langfristiges Engagement fördern / Müntefering verteidigt Reformpolitik

Berlin - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert von der Politik eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte. Der wiedergewählte Vorsitzende Michael Sommer sagte am Donnerstag auf dem DGB-Bundeskongress: „Selbst in den von uns ja immer als Vorbild angesehenen USA genießt das Kapital bei weitem nicht solche Freiheiten wie in Deutschland und Europa.“ Sommer legte in seiner Grundsatzrede einen Katalog mit acht möglichen Maßnahmen vor (siehe Kasten), mit deren Hilfe wieder langfristiges unternehmerisches Engagement gefördert werden soll. Die Pläne der Bundesregierung für börsennotierte Immobilienfonds seien jedoch „nichts anderes, als nun auch noch die Lebensgrundlage Wohnung der Börse auszuliefern“.

Den Kongress begeisterte Sommer allerdings kaum mit seiner Rede, die kurzfristig vom Dienstag auf Donnerstag verlegt wurde, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen. Der Dienstag hatte vor allem im Zeichen der Auseinandersetzung um die gescheiterte Kampfkandidatur der bisherigen DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer gestanden. Erst als Sommer in seiner Rede auf die klassischen Themen wie Kündigungsschutz einging, kam Stimmung unter den Delgierten auf.

„In Frankreich haben die Menschen erfolgreich gegen eine Kündigungsschutzregelung gekämpft, wie wir sie auch in Deutschland bekommen sollen“, sagte Sommer. „Deutschland ist nicht Frankreich. Aber was dort Unrecht ist, ist es hier auch.“ Es könne nicht sein, dass die Politik mit dem Elterngeld Familien fördern wolle, ihnen aber gleichzeitig durch die Aufweichung des Kündigungsschutzes und die damit weiter wachsende Unsicherheit die Grundlage entziehe.

Sommer erhöhte außerdem den Druck auf die Bundesregierung, einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland einzuführen. Nach jahrelanger Diskussion hatte der DGB-Kongress am Mittwoch 7,50 Euro als Forderung verabschiedet. „Unter 7,50 Euro macht es keinen Sinn“, unterstrich Sommer in seiner Rede. „Wir brauchen in diesem Jahr eine Lösung.“ Es gebe auch keinen Beweis dafür, dass ein Mindestlohn Arbeitsplätze vernichte.

Bundesarbeits- und Sozialminister Franz Müntefering (SPD) zeigte sich in seiner Rede auf dem Kongress – genauso wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Tag zuvor – bei dem Thema zurückhaltend. Ihm wäre es immer am liebsten, wenn das Problem tarifpolitisch gelöst würde und nicht per Gesetz. Für den Herbst kündigte er einen Vorschlag der Regierung an, sittenwidrige Löhne dürfe es auf jeden Fall nicht geben.

Müntefering verteidigte unter dem teilweise lauten Protest von Delegierten die Politik der Bundesregierung. „Wichtig ist, das Wünschenswerte nicht aus den Augen zu verlieren und das Machbare zu tun. Ich stehe für das Machbare.“ Der Bund müsse die Haushaltskonsolidierung fortsetzen und für einen effizienten Einsatz der Mittel beim Arbeitslosengeld II sorgen. Die große Koalition lasse keinen Raum mehr für gegenseitige Schuldzuweisungen. „Jetzt sind die Probleme auf dem Tisch – und keiner mehr da, dem man sie zuschieben kann“, sagte Müntefering. Deswegen seien auch die Rentenrefom und die Forderung nach mehr privater Vorsorge nötig. Der demografische Wandel – also immer mehr Rentenempfänger und weniger Arbeitnehmer – sei schließlich jedem bekannt.

Gewerkschaftsvertreter reagierten mit scharfer Kritik. DGB-Chef Sommer warnte davor, so zu tun, als wisse man schon heute, was 2050 ist. Die Welt sehe heute schließlich auch ganz anders aus, als man es sich vor 44 Jahren gedacht hätte.

Seite 1 und Meinungsseite

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false