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Wirtschaft: „Das letzte Jahr war eine Katastrophe“

IG Metall sieht Kleinfeld an der Spitze gefährdet

Herr Neugebauer, Investoren und Analysten bescheinigen Siemens-Chef Kleinfeld insgesamt eine gute Arbeit. Wie fällt Ihre Jahresbilanz aus?

Das sind dieselben Leute, die vor fünf, sechs Jahren empfohlen haben, Siemens sollte die Old Economy verkaufen. Doch gerade diese Bereiche stehen heute glänzend da. Von einer positiven Bilanz kann im Übrigen keine Rede sein, so viele Schwierigkeiten wie derzeit hat es bei Siemens noch nie gegeben.

Die größten Problembereiche sind doch verkauft.

Das löst aber keine Probleme, wie wir ja bei BenQ gesehen haben. Und die Sparten Enterprise und SBS sind gigantische Baustellen. Bei SBS könnten von 12 000 Beschäftigten am Ende nur noch 4000 übrig bleiben. Deshalb war das letzte Geschäftsjahr beschäftigungspolitisch eine Katastrophe.

Gehen die von Kleinfeld indentifizierten Megatrends nicht in die richtige Richtung?

Das ist ja alles schön und gut. Doch in den vergangenen Monaten sind die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit von Siemens und damit die Motivation vieler Mitarbeiter verlorengegangen. Bislang galt Siemens als ein Unternehmen, bei dem man eine Perspektive hatte. Mittlerweile wird man bei der Siemens AG – wenn es dumm läuft – innerhalb eines Jahres durch vier Gesellschaften gereicht. Diese Amerikanisierung des Konzerns wird zu keinem guten Ende führen.

Das hat alles Kleinfeld zu verantworten?

Nein, die meisten Entscheidungen wurden schon unter Heinrich von Pierer getroffen. Es ist doch ein Witz, dass Siemens als der Technologieträger in Deutschland nicht in der Lage ist, wettbewerbsfähige Telekommunikationstechnik zu produzieren, wie das der frühere Gummistiefelhersteller Nokia auch geschafft hat. Dass wichtige Trends völlig verpennt wurden, liegt nicht an der Belegschaft.

Dann haben die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aber auch gepennt.

Die werden informiert, wenn es zu spät ist. Vor zehn Jahren habe ich als Aufsichtsrat aus dem Radio erfahren, dass für eine Milliarde Mark eine Chipfabrik in Irland gebaut wird. Zwei Jahre später wurde die Fabrik wieder geschlossen. Und die Verträge, die Siemens mit BenQ abgeschlossen hat, haben wir bis heute nicht einsehen können.

Muss sich an der Spitze etwas ändern?

Wenn es in den nächsten 14 Tagen nicht zu befriedigenden Lösungen für die Arbeitnehmer bei BenQ, bei SBS und Enterprise kommt, dann muss man wirklich fragen, ob das Tandem Kleinfeld und von Pierer das richtige Team ist.

Werner Neugebauer

ist seit fast 20 Jahren Chef der IG Metall in Bayern. Mit dem 55-jährigen Gewerkschafter, der in seinem Bezirk steigende Mitgliederzahlen hat, sprach Alfons Frese.

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