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Wirtschaft: Das letzte Kapitel ist noch offen

BERLIN . Der deutsche Buchhandel ist noch einmal davon gekommen.

BERLIN . Der deutsche Buchhandel ist noch einmal davon gekommen. Weil EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert am Mittwoch nicht die Mehrheit seiner Kommissionskollegen hinter sich bringen konnte, bleibt die grenzüberschreitende Buchpreisbindung zwischen Deutschland und Österreich zunächst unangetastet. Nun soll sich die neue Kommission mit dem Thema beschäftigen. Verleger und Händler haben eine Atempause gewonnen.Doch über der Branche braut sich bereits neues Ungemach zusammen. Statt ihre Bücher im Buchladen zu kaufen, bestellen immer mehr Kunden ihre Literatur über das Internet. Wettbewerbsexperten betrachten diese Entwicklung mit Argwohn. Denn um das Kulturgut Buch zu schützen, genießt die Branche im deutschen Kartellrecht ein Privileg, von dem andere nur träumen - sie dürfen ihre Preise absprechen. Was in jeder anderen Branche umgehend das Bundeskartellamt auf den Plan rufen würde, ist den Kulturschaffenden erlaubt: Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) stellt Verlagserzeugnisse von dem Verbot, Preiskartelle zu bilden, ausdrücklich frei.Diese Privilegierung könnte jedoch nach Ansicht von Wettbewerbsjuristen ins Wanken kommen, wenn der Handel via Internet zu Sonderpreisen und einer Aufweichung der Buchpreisbindung führen würde. Denn um die Ausnahme vom Kartellverbot zu rechtfertigen, muß die Preisbindung möglichst lückenlos funktionieren. Schon jetzt gibt es Ausnahmen, die aber vom Bundeskartellamt sehenden Auges hingenommen werden, Beispiel Buchclubs. Denen räumen die Wettbewerbsschützer eine Sonderstellung ein, weil sie mit dem normalen Buchhandel nicht vergleichbar seien.Eine weitere Aushöhlung durch den Internet-Handel könnte das Kartell-Privileg dagegen ernsthaft gefährden. Noch liegt der Marktanteil des elektronischen Buch-Shoppings in Deutschland bei bescheidenen 0,4 Prozent, der Jahresumsatz bei 60 Mill. DM. Doch die Branche erwartet eine Umsatzexplosion. Mit Zuwachsraten zwischen 80 und 100 Prozent rechnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in den kommenden Jahren, mittelfristig soll sich das Umsatzwachstum bei einem jährlichen Plus von 60 Prozent einpendeln.Konflikte mit dem deutschen Kartellrecht sieht Eugen Emmerling, Sprecher des Börsenvereins, dennoch nicht. Die Hälfte der Internet-Umsätze werde von stationären Buchhändlern gemacht, die zusätzlich im Netz vertreten seien. Aber auch die reinen Internet-Anbieter unterliegen nach Einschätzung des Börsenvereins der Buchpreisbindung und hielten sich auch daran. "Der Internet-Buchhandel ist keine Bedrohung", sagt Emmerling.Tatsächlich gilt die Buchpreisbindung, die in Deutschland nicht auf einem Gesetz, sondern einem Vertrag zwischen Buchhändlern und Verlegern (Sammelrevers) beruht, grundsätzlich für den stationären wie den elektronischen Handel. Aus Angst vor einer Aufhebung der grenzüberschreitenden deutsch-österreichischen Buchpreisbindung hat der Börsenverein diese vertragliche Absprache kürzlich um eine Reimportklausel ergänzt. Damit nicht doch eines Tages Discount-Ware via Österreich ihren Weg nach Deutschland findet, sollen Importe aus dem Nachbarland, die nur dem Zweck dienen, die deutsche Preisbindung zu unterlaufen, verboten sein. Sollte die Kommission sich mit einer solchen vertraglichen Regelung nicht anfreunden können, will Kultur-Staatsminister Naumann notfalls mit einem Preisbindungsgesetz nachlegen.Dennoch sehen Wettbewerbsexperten Probleme. Es gebe immer wieder Ansätze, die deutsche Preisbindung zu unterlaufen, sagen sie. Durch Übernahme der Versandkosten oder den Vertrieb von Sonderausgaben. Gänzlich ins Leere liefe die Preisbindung, wenn der Kunde sich an ausländische Internet-Händler wende. Welche Margen im elektronischen Handel stecken, offenbarte der Münchner Internet-Buchhändler buch.de. In der Überzeugung, die EU-Kommission werde die deutsch-österreichische Preisbindung aufheben, kündigte er an, Kunden in Österreich künftig mit einem Rabatt von bis zu 30 Prozent zu beliefern. Das ist nun erst einmal aufgeschoben. Aber nicht aufgehoben.

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