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Wirtschaft: „Das Licht muss ins Auge“

Wie wir uns gegen die Winterdepression wehren können

Herr Zulley, wie viel Licht und Sonne braucht ein Mensch?

So generell kann man die Frage nicht beantworten. Die Frage ist eher, ab wann ist Licht wirksam? Das ist etwa ab 2500 Lux der Fall. Lux ist die auf eine Fläche auftreffende Beleuchtungsstärke. Ein Büroraum zum Beispiel hat 500 Lux, bei 700 Lux ist er schon sehr hell. Kein Vergleich aber zu einem strahlenden Sommertag, der kommt auf über 100000 Lux. An grauen Wintertagen dagegen steigt die Beleuchtungsstärke nicht über 1500 Lux.

Und das fehlende Licht drückt auf unsere Stimmung?

Ja. Im Winter reduziert der Körper seine Aktivitäten. Wir speichern mehr Energie und fahren unsere Systeme herunter: Wir schlafen mehr, wir essen mehr – vor allem Kohlehydrate –, unser Antrieb ist reduziert und die Stimmung sinkt. Im Extremfall kann das zu einer Winterdepression führen. Das fehlende Licht des Winters führt zu einer erhöhten Produktion des Hormons Melatonin, das schlafanstoßend und stimmungsdrückend wirkt. Eigentlich ist das eine sinnvolle Anpassung des Körpers an die Umwelt. Allerdings stehen hier unsere Körperfunktionen im Konflikt mit den konstanten Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft.

Wie kann man sich gegen die Winterdepression wehren?

Mit viel Licht. Licht wirkt leistungssteigernd und stimmungsaufhellend, denn es führt zu einer Unterdrückung des MelatoninAusstoßes. Zunächst aber ist es sinnvoll, sich klar zu machen, woher die gedrückte Stimmung an dunklen Tagen kommt. Viele sind weniger verzweifelt, wenn sie den Grund für ihr Stimmungstief und ihre Antriebslosigkeit kennen. Dann wissen sie auch, dass es wieder vorbeigeht. Wer sich viel draußen im hellen Tageslicht bewegt, am besten vormittags, kann seine Stimmung deutlich verbessern.

Hilft es auch, im Büro so viele Lampen wie möglich einzuschalten?

Eine biologische Wirkung hat das nicht. Trotzdem empfehle ich, Büroräume so hell wie möglich zu gestalten. Eine physiologische Wirkung erreichen Sie aber erst ab einer Lichtstärke von 2500 Lux und einer Dauer von zwei Stunden oder 10000 Lux über 40 Minuten. Zum Vergleich: Eine normale 60-Watt-Glühbirne kommt nur auf 200 bis 300 Lux. Für die Lichttherapie gibt es aber medizinische Speziallampen. Sie geben weißes Licht ohne UV-Anteile. Es sollte auch kein nennenswerter Infrarot-Anteil in den Lichtstrahlen vorhanden sein.

Kann man nicht einfach ins Sonnenstudio gehen?

Nein. Entscheidend für die therapeutische Wirkung ist: Das Licht muss ins Auge. Das Licht im Sonnenstudio hat aber einen hohen Anteil an UV-Strahlung, um die Haut zu bräunen. Vor diesem UV-Licht müssen Sie die Augen schützen. In den USA hat es zwar eine Studie gegeben, die bei der Bestrahlung der Kniekehle die gleiche Wirkung wie bei den Augen festgestellt hat. Das konnte aber in späteren Untersuchungen nicht mehr nachgewiesen werden.

Hilft dann ein Kurztrip auf eine sonnige Insel im Süden?

Ja, denn die Wirkung tritt relativ rasch ein. Aber eine Woche Zeit sollte man sich schon nehmen. Wenn man zurückkehrt, hat man allerdings die alten Probleme wieder, denn die Wirkung hält nur wenige Tage an.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

Informationen im Internet:

www.dags.de

www.schlaf-medizin.de

Literatur: Unsere innere Uhr, von Jürgen Zulley und Barbara Knab, Herder 2003, 223 Seiten, 9,90 Euro.

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