zum Hauptinhalt
Mehr Inspiration. Merktechniken erfordern und fördern die Kreativität. Das Gehirn ist wie ein Muskel, der sich mit regelmäßigen Übungen trainieren lässt. Foto: fotolia

© macgyverhh - Fotolia

Wirtschaft: Das merk’ ich mir

Bis ins hohe Alter können wir leicht dazulernen. Ob Namen, Zahlen oder Sprachen: es braucht nur die richtigen Techniken.

Der Kunde am Telefon will den Kollegen sprechen. Einfach durchstellen – aber wie war noch gleich die Durchwahl? Vielen Menschen fällt es schwer, sich Zahlen zu merken, denn anders als Wörter sind sie abstrakt und häufig ohne Bedeutung.

Hier setzen gleich verschiedene Gedächtnistechniken an, auch Mnemotechiken genannt. Einfach ist das Zahl-Form-System: Es ordnet jeder Ziffer von 0 bis 9 ein Symbol zu, das ihr ähnlich sieht oder eine Assoziation zur Ziffer in Gang setzt. Die Null kann dann beispielsweise eine Kugel sein, die Eins eine Kerze, die Zwei wird durch einen Schwan dargestellt, die Drei etwa durch einen Dreizack, die Vier mit einem vierblättrigen Kleeblatt gedanklich verknüpft, die Fünf mit einer Hand und so weiter.

Wer sein Zahl-Form-System auswendig beherrscht, kann es nutzen, um sich kurze Zahlenreihen wie beispielsweise Telefonnummern besser einzuprägen. Dazu überlegt er sich aus den Symbolen eine kleine Geschichte. Ist die Durchwahl des Kollegen also -154, dann käme in der Geschichte eine Kerze, eine Hand und ein Kleeblatt vor – und zwar genau in der Reihenfolge der Ziffern und am besten mit einer Verknüpfung zu dem Kollegen. Der Kollege könnte also auf dem Schreibtisch eine Kerze stehen haben, an der er sich die Hand verbrennt und sie mit einem Kleeblatt heilt. Das ist ein seltsames Bild, und gerade weil es ungewöhnlich ist, lässt es sich gut erinnern: Es ist merk-würdig.

Für komplexere Zahlenreihen gibt es das Majorsystem, das in der Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelt und seither vielfach variiert wurde. Auch dieses ersetzt Ziffern, allerdings durch Laute, aus denen dann phonetisch Wörter gebildet werden. Den Zahlen 0 bis 9 werden Konsonanten zugeordnet, sogenannte Ersatzkonsonanten. Aus den Ersatzbuchstaben bildet man schließlich konkrete, vorstellbare Bilder. So hat jeder, der diese Technik anwendet, sein eigenes Majorsystem. Alltagsanwender formulieren mit 100 Bildern von 0 bis 99 aus. Das genügt, um sich selbst lange und komplexe Zahlenreihen zu merken. Wenn man ganz neu mit der Technik beginnt, dauert es allerdings ein wenig, bis man das System spielend beherrscht.

Doch diese Zeit ist sinnvoll investiert, denn Gedächtnistraining regt das Gehirn an und führt zu einer besseren Vernetzung der Gehirnzellen. Diese Entwicklung von neuen synaptischen Verbindungen wird Neuroplastizität genannt. In manchen Arealen des Gehirns bilden sich sogar täglich neue Gehirnzellen, was als Neurogenese bezeichnet wird. Auch dieser Prozess kann durch körperliches und geistiges Training begünstigt werden. Gerade mit zunehmendem Alter kann man mit gezieltem Training dem altersmäßigen Abbauprozess des Gedächtnisses entgegenwirken.

Besonders virtuos wenden Gedächtnissportler solche Techniken an. Auf Wettkämpfen messen sie sich im Auswendiglernen von Ziffern und Zahlen, Reihenfolgen von Spielkarten oder abstrakten Bildern. Sie lernen Namen und Gesichter in Reihenfolge auswendig, Wörterlisten oder ganze Texte und historische Daten. Der Sport ist noch recht jung. 1990 gründete der britische Mentaltrainer Tony Buzan das World Memory Sports Council (WMSC), das seit 1991 Gedächtnisweltmeisterschaften organisiert. Die deutschen Meisterschaften werden von der Gesellschaft für Gedächtnis- und Kreativitätsförderung (GGK) seit Ende der neunziger Jahre veranstaltet.

Daneben gibt es Disziplinen wie den Pi-Sport, der aber nicht in Wettkämpfen ausgetragen wird. Dabei lernen die Gedächtniskünstler so viele Nachkommastellen der Zahl Pi wie möglich auswendig. Den Weltrekord hält aktuell der Chinese Chao Lu: Er prägte sich im Jahr 2006 laut Guinnessbuch der Rekorde 67.890 Nachkommastellen ein und trug diese in 24 Stunden und vier Minuten vor.

Auch für das Merken bestimmter Reihenfolgen gibt es eine Gedächtnismethode: die Loci-Technik. Der Begriff ist der Lateinische Plural von locus, dem Platz/Ort. Diese Routentechnik entstand schon in der Antike, wo sie beispielsweise genutzt wurde, um Reden auswendig zu lernen. Man stellt sich einen räumlichen Weg vor – etwa den Weg durch die eigene Wohnung oder den täglichen Weg zur Arbeit oder eine Route entlang am Körper. An verschiedenen markanten Punkten legt man dann eine Information ab, die man sich zuvor verbildlicht hat. Auf diese Weise lassen sich neue Inhalte leichter in der richtigen Reihenfolge merken.

Aber was macht man, wenn man dabei neue Vokabeln, Namen oder Fachbegriffe lernen muss? Hier eignet sich die sogenannte Ersatzwortmethode, die auch als Schlüsselwortmethode bezeichnet wird:

Dabei wird das eigene Vorwissen genutzt, um Assoziationen mit dem neuen Inhalt herzustellen. Je nach Aussprache oder Schreibweise der Vokabel versucht man sich mit einem Bild oder einem Begriff eine Eselsbrücke zu bauen und verknüpft dieses dann mit der Bedeutung der Vokabel oder einer Auffälligkeit der Person bei Namen. Lernt man etwa das türkische Wort für Auto, das „araba“ heißt, könnte man sich beispielsweise einen arabischen Scheich in einem Ferrari vorstellen.

Man sieht: Das Anwenden von Gedächtnistechniken erfordert und fördert Kreativität. Es fordert zudem die grauen Zellen. Und weil sich das Hirn ähnlich wie ein Muskel trainieren lässt, klappen die Techniken mit einiger Übung immer besser. Trainieren lässt sich fast immer und überall – denn mehr als den Kopf braucht es nicht. Immer beliebter werden auch Gehirntrainings am Computer. Bekannt ist hier der n-Back-Test, mit dem das Arbeitsgedächtnis und die Konzentration trainiert werden können.

Dabei blinkt in einem Gitternetz in zufälliger Abfolge ein visuelles Symbol auf. Der Spieler soll sich die fortlaufenden Felder einprägen und genau dann eine Taste drücken, wenn das aktuelle Feld mit dem übereinstimmt, das vor n-Schritten vorher angezeigt wurde. In einer erweiterten Variante ertönt außerdem ein Buchstabe, sodass zwei Reize, ein visueller und ein akustischer, im Arbeitsgedächtnis behalten werden müssen. Die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen: Schon mit ein wenig regelmäßigem Training verbessern sich die Konzentrations- und die Merkfähigkeit.

Das Beste an den Gedächtnismethoden ist, dass sie sich für so viele Aufgaben nutzen lassen – nicht nur für das Auswendiglernen der Durchwahlnummern von Kollegen. (Zeit Online)

Tina Groll

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false