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Wirtschaft: Das Risiko des hohen Dispo-Kredits

Das Schreiben von der Berliner Sparkasse kam überraschend: Der Überziehungskredit sei auf 20 000 DM erhöht worden, teilte die Bank ihrer Kundin Petra Z.Anfang des Jahres mit.

Das Schreiben von der Berliner Sparkasse kam überraschend: Der Überziehungskredit sei auf 20 000 DM erhöht worden, teilte die Bank ihrer Kundin Petra Z.Anfang des Jahres mit.Ein Angebot, von dem die Frau schon aufgrund der hohen Zinsen keinen Gebrauch machen wollte.Im Sommer passierte es dann: Das Girokonto war auf einmal um fast 20 000 DM überzogen - und dies, kurz nachdem man Petra Z.ihre Brieftasche mit dem Personalausweis und der EC-Karte an ihrem Arbeitsplatz in einem großen Bürogebäude gestohlen hatte.

Das sogenannte Plastikgeld ist für Kunden zu einem Risiko geworden, obwohl es doch eigentlich die Sicherheit erhöhen sollte.Denn wer seinen Personalausweis zusammen mit seiner EC-Karte unbeaufsichtigt läßt, handelt grob fahrlässig, so der Vorwurf der Berliner Sparkasse.

Eine Ansicht, die auch die Gerichte vertreten.Im April dieses Jahres hatte das Amtsgericht Charlottenburg die Klage eines Sparkasse-Kunden abgewiesen, dem ebenfalls die EC-Karte zusammen mit dem Personalausweis gestohlen worden war.Wie der Tagesspiegel berichtete, hatte der Dieb mit Hilfe der EC-Karte zunächst den Kontoauszugsdrucker einer Sparkassen-Filiale betätigt.So stellte er fest, daß auf dem Konto über 2500 DM waren und der Überziehungskredit 6000 DM betrug.Danach hob der Täter dann 8000 DM vom Konto ab, indem er die Unterschrift des Sparkassen-Kunden fälschte.Die Bank fiel auf den Trick herein und hatte auch später nur bedingt ein schlechtes Gewissen.Lediglich aus Kulanzgründen wurde die Hälfte des Betrages erstattet.Der Versuch des Sparkassen-Kunden, die andere Hälfte einzuklagen, scheiterte dann vor dem Charlottenburger Amtsgericht (Az: 21a C 321/97).

Mit diesem inzwischen rechtskräftigen Urteil befindet sich die Amtsrichterin zumindest unter Juristen in guter Gesellschaft.Denn bereits 1995 hatte das Oberlandesgericht Köln (Az: 13 U 28/95) entschieden, daß Bankkunden eine Jacke mit EC-Karte und Ausweispapieren nicht unbeaufsichtigt lassen dürfen.Dies gilt auch, wenn sich die Jacke in einem Büro befindet, zu dem nicht jeder Zugang hat.

Bei gestohlenen Schecks ist die Rechtsprechung mit den Banken hingegen strenger und verlangt bei Verdachtsmomenten, den Scheckeinreicher besonders streng zu überprüfen.Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az: XI ZR 105/96) kann sich das Geldinstitut auch nicht damit rausreden, der zuständige und kompetente Sachbearbeiter sei gerade nicht da gewesen.Allerdings gilt bei Schecks ebenfalls, daß man sie sorgfältig aufbewahren muß, so der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung (Az: XI ZR 117/96).

Gelingt dem Täter lediglich der Diebstahl der EC-Karte, sieht es für den Kunden schon wesentlich besser aus.Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az: 2/10 O 179/96) dürfen Banken bei Barabhebungen nämlich nicht alleine auf eine vorgelegte EC-Karte vertrauen.Ist der Karteninhaber in der Filiale nicht persönlich bekannt, müssen die Bankangestellten einen Ausweis verlangen.Tun sie dies nicht und zahlen das Geld ohne weitere Kontrolle aus, hat die Bank den Schaden des Kunden zu ersetzen.Als Konsequenz aus dieser Rechtsprechung empfehlen Banken und Polizei, die EC-Karte und den Personalausweis getrennt voneinander aufzubewahren.Außerdem wird darauf verwiesen, daß niemand rechtlich gezwungen sei, immer einen Ausweis bei sich zu tragen.Ohne Ausweis nützt allerdings die EC-Karte beim Einkauf kaum etwas, denn fast alle Geschäfte fordern beim Bezahlen größerer Summen mit der EC-Karte zusätzlich den Personalausweis.

Verbraucher- und Datenschützer sehen deshalb die Banken in der Pflicht, ihr Sicherheitssystem zu überarbeiten.Bereits vor einiger Zeit kritisierte der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka, daß Kontoauszugsdrucker ohne Eingabe der Geheimzahl nur mit der EC-Karte bedient werden können.Diebe hätten so die Möglichkeit, den Kontostand und den Überziehungskredit eines Bankkunden in Erfahrung zu bringen.Denn bei vielen Geldinstituten erscheint der eingeräumte Überziehungskredit auf jedem Kontoauszug.Auch mit aus diesem Grund empfiehlt die Stiftung Warentest, sich keinen unnötig hohen Überziehungskredit aufdrängen zu lassen.

Ansonsten sollten Kunden, sobald sie den Verlust ihrer EC-Karte bemerken, sofort ihre Bank und den rund um die Uhr besetzten Kartensperrdienst (Tel.: 069/740987) verständigen.Ist zu diesem Zeitpunkt bereits ein Schaden eingetreten, kann der Verbraucher beim gleichzeitigen Diebstahl des Personalausweises nur noch auf die Kulanz der Bank hoffen.Auch die Sparkassen-Kundin Petra Z.hat so zumindest zwei Drittel ihres Schadens ersetzt bekommen.

KAI NITSCHKE

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