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Wirtschaft: Das Sparschwein – ein unbekanntes Wesen

Die Jugendlichen in Deutschland sparen nicht mehr. Sie machen es wie die Amerikaner - und nehmen gelegentlich auch einen Kredit.

Sparen, eine deutsche Tugend? Da können Wissenschaftler von der Universität Bonn nur lachen. Bei deutschen Jugendlichen jedenfalls ist Sparen total aus der Mode. Sie geben ihr Taschengeld lieber komplett aus: für Kleidung, Essen und Getränke, CDs, Computerspiele und für ihr neues Handy.

Das ergab eine Studie über europäische Jugendliche, die von der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem Kreditkartenunternehmen Mastercard/Eurocard durchgeführt wurde. Das Sparen stand danach bei der Verwendung des Taschengeldes erst an vierter Stelle, 1996 belegte Sparen noch den ersten Platz der Rangliste. Grund für die Veränderung: „Bei stagnierendem Einkommen kann der Lebensstandard nur durch Abstriche im Sparen gehalten werden“, so die Studie. Die Jugendliche seien eben nicht bereit, ihre Wünsche nach einer neuen CD oder einem modernen Handy zurückzustellen.

Konjunkturforscher sehen das entspannt: Jeder Euro, der nicht in einem Sparschwein landet, fördert den privaten Konsum, argumentieren sie. Wenn schon die Eltern knausern, ist es gut, dass die Jugendlichen es krachen lassen. Generationen-Wissenschaftler wie Stefanie Wahl vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn dagegen finden das Phänomen ziemlich besorgniserregend: Jugendliche, denen der Wert des Sparens nicht mehr zu vermitteln ist, werden später kaum bereit sein, für ihr Alter vorzusorgen oder Reserven für andere Lebensrisiken anzulegen, meinen sie.

Schlimmer noch: Nicht nur Jugendliche sehen in einem sparsamen Leben immer weniger einen Wert an sich. Die Deutschen, die traditionell ihr Geld lieber auf die Bank brachten als es auszugeben, legen allgemein immer weniger Geld zurück. In den letzten Jahren hat die Sparquote, der Prozentsatz des verfügbaren Einkommens, der nicht konsumiert wird, stetig abgenommen. Mitte der 70er Jahre betrug sie nach Angaben des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn etwa 16 Prozent, im Jahr 2001 sparten die Deutschen noch 10,1 Prozent ihres verfügbaren Einkommens. Das hat natürlich mit der Konjunkturkrise zu tun. Und dennoch macht sich auch bei Erwachsenen ein grundlegender Wandel bemerkbar.

Zwar ist die Sparquote im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. „Doch die Sparkultur hat sich stark verändert“, sagt Stefanie Wahl. Früher hätten sich die Deutschen erst eingeschränkt und dann eine größere Anschaffung bezahlt. Heute dagegen wird der neue Fernseher sofort gekauft. „Für die meisten steht heute der Konsum in der Gegenwart im Vordergrund.“

Doch es gibt Hoffnung – und die kommt ausgerechnet aus den schlechten Nachrichten: Seit Ende 2001 ist eine leichte Trendwende zu spüren. „Ich führe das auf die Einführung der Riester-Rente zurück, dadurch wird wieder mehr zurückgelegt“, so Wahl.

Und wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder den Wert des Sparens begreifen? Dann müssen sie selbst mehr ausgeben: Ein regelmäßiges Taschengeld führt der Studie zufolge zu einer höheren Sparneigung. Kinder ohne Taschengeld leben dagegen komplett auf Pump.

Melanie Hinter

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