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Wirtschaft: Das VW-Gesetz vor Gericht

EU-Gerichtshof verhandelt über die Stimmrechtsbeschränkung von 1960 / Porsche will das Sagen haben

Berlin - Die Porsche-Herrschaften aus Zuffenhausen beobachten an diesem Dienstag aufmerksam die Vorträge am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dort sehen Wendelin Wiedeking und Kollegen den ersten Akt des Abschiedsspiels für eine industriepolitische Besonderheit aus Deutschland: Das VW-Gesetz aus dem Jahre 1960, das im Kern den Einfluss des Landes Niedersachsen bei Volkswagen absichert, steht vor Gericht. Die EU-Kommission will das Gesetz abschaffen, weil es gegen europäisches Recht verstoße.

Die Porsche-Bosse wollen das auch, damit sie das Sagen in Wolfsburg haben. Der Verlierer wäre Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, der bislang als VW-Aufsichtsrat gerne und viel mitredet. Wiedeking zufolge geht es vor dem EuGH darum, wer VW steuert. Und sollte das Gesetz gekippt werden, ist die Antwort klar: Wiedeking und mit ihm der VW-Aufsichtsratsratschef und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch.

Das VW-Gesetz trat in Kraft, als das Unternehmen 1960 privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. 60 Prozent des Grundkapitals wurden verkauft, 40 Prozent blieben zunächst bei Bund und Land. 1988 verkaufte der Bund seinen Anteil, das Land Niedersachsen dagegen machte diverse Kapitalerhöhungen mit und konnte so seinen Anteil mit derzeit 20,8 Prozent konstant halten. Der wichtigste Punkt im VW-Gesetz ist die Stimmrechtsbeschränkung: Kein Aktionär kann mehr als 20 Prozent der Stimmen ausüben, auch wenn er – wie Porsche mit 27,4 Prozent – mehr Anteile hat. Die EU–Kommission sieht durch diese Beschränkung die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt und hat deshalb auf Abschaffung des Gesetzes gegen die Bundesrepublik geklagt. Heute ist die mündliche Verhandlung. Im Auftrag des Bundesjustizministeriums wird ein Anwalt die Position der Regierung vertreten: Danach ist das Gesetz eine industriepolitische Maßnahme, die auch heute noch ihre Berechtigung hat.

So argumentiert auch der VW-Betriebsrat. Er sieht das Gesetz als Schutz der Arbeitnehmer vor einem „dominierungswilligen Großaktionär“. Und dieser Schutz sei gewährt worden, weil die Arbeitnehmer das Unternehmen nach dem Krieg und dem Abzug der britischen Besatzer aus Wolfsburg eigenverantwortlich aufgebaut hatten. „Außerdem trägt dieses Gesetz der historischen Tatsache Rechnung, dass Volkswagen von den Nazis mit dem geraubten Vermögen der Gewerkschaften aufgebaut wurde“, sagt Betriebsratsvize Bernd Wehlauer.

Das ist lange her und wird das Gericht womöglich wenig beeindrucken. Nach der mündlichen Anhörung wird im nächsten Frühjahr der europäische Generalanwalt seinen Schlussantrag stellen, bevor dann im dritten und letzten Akt das Urteil kommt. Das wird kaum vor der nächsten VW-Hauptversammlung im April sein, wenn es unter anderem darum geht, ob Piëch Aufsichtsratschef bleibt.

Doch wenn dann irgendwann das Gesetz weg ist, will Porsche auch die VW-Satzung ändern und die auch dort fixierte Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent streichen. Schließlich möchte Wiedeking das Entsendungsrecht ändern, wonach Niedersachsen gestattet ist, „zwei Aufsichtsratsmitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden“. Stattdessen sollten sich auch die niedersächsischen Vertreter von der Hauptversammlung wählen lassen. Für Piëch wäre das ein Triumph, wenn er seinen Gegner Wulff so den Weg in den Aufsichtsrat verstellen könnte.

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