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Wirtschaft: Das Weihnachtsgeld bleibt

Berlins große Arbeitgeber zahlen – bei vielen kleinen Firmen ist es ungewiss

Berlin Streichen, strecken, sparen – wenn es um die Arbeitskosten geht, sind die Firmen zur Zeit sehr kreativ. Übertarifliche Zuschläge werden gekappt, Zusatzleistungen für Arbeiter und Angestellte gekürzt. Selbst das Weihnachtsgeld scheint, wie beim Sanierungsfall Karstadt, nicht mehr sicher. Doch eine Umfrage des Tagesspiegel unter den 30 größten Arbeitgebern in Berlin zeigt: Die meisten Arbeitnehmer werden in wenigen Tagen wie gewohnt ihr Weihnachtsgeld auf dem Lohnzettel finden.

„Das Weihnachtsgeld ist das Sicherste, was es gibt“, sagt Reinhard Bispinck, Tarifexperte bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Diese Feststellung gilt jedenfalls für Betriebe, die nach Tarif bezahlen und deshalb auch im November ihren Mitarbeitern eine Sonderzahlung gewähren müssen. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiten 70 Prozent der westdeutschen und etwa 55 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in einem Betrieb, der nach Tarif bezahlt.

Wenn diese Firmen in Schwierigkeiten geraten, verlängern sie die Arbeitszeit oder sie kürzen das Weihnachtsgeld. Das zeigt eine Statistik des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Danach haben von 70 Metallunternehmen, die in diesem Jahr die neu geschaffenen Öffnungsklauseln nutzen und vom Tarif abweichen, 25 das Weihnachtsgeld tatsächlich reduziert oder gestrichen. Das ist legal, weil die IG Metall zugestimmt hat. „Was sich in der Grauzone tut, wissen wir natürlich nicht“, schränkt Gesamtmetall-Sprecher Peter Klotzki die Statistik ein.

Die Höhe der Sonderzahlung im November ist je nach Branche unterschiedlich. Dass im Westen in der Textilindustrie das tarifliche Weihnachtsgeld teilweise einen vollen Monatslohn beträgt, erklärt Tarifexperte Bispinck mit den geringen Grundlöhnen in der Branche. Umgekehrt könnte dies die geringe Sonderzahlung in der Metallindustrie erklären: Die Stundenlöhne im Maschinen- und Fahrzeugbau sind vergleichsweise hoch, daher gibt es maximal 55 Prozent Weihnachtsgeld. Am wenigsten vom Fest profitieren Gebäudereiniger und ostdeutsche Bauarbeiter – sie bekommen nichts. Im Westen gibt es immerhin mindestens 780 Euro für die Bauleute – sofern ihr Arbeitgeber nach Tarif bezahlt.

Bei den großen Berliner Arbeitgebern ist die Streichung des Weihnachtsgeldes in diesem Jahr kein Thema. Das ergab eine Umfrage des Tagesspiegel. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin glaubt indes nicht, dass dies überall gilt und somit repräsentativ ist: „Die Dramen spielen sich in den kleineren Betrieben ab, wo es keine Betriebsräte gibt“, sagt Gewerkschaftssprecher Dieter Pienkny. Hier werde „mit der Angst um den Arbeitsplatz häufig im Sinne der Arbeitgeber ein Geschäft gemacht“.

Im Gesundheitssektor müssen sich die Beschäftigten auf jeden Fall auf Einbußen einstellen. „Wir haben beschlossen, die Zahlungen zu streichen“, sagt eine Sprecherin des Krankenhaus-Konzerns Vivantes, der in Berlin 12000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Sanierungspaket vom Sommer sieht im Gegenzug die Sicherung der Arbeitsplätze bis 2010 vor.

Die Deutsche Bahn AG – mit 19200 Mitarbeitern größter Arbeitgeber der Stadt – zahlt weiterhin ein volles 13. Monatsgehalt. Auch Siemens (14600 Beschäftigte in Berlin) hält sich an den Tarifvertrag: Alle Siemensianer erhalten 55 Prozent eines Monatseinkommens. Zusätzlich werden mit dem Januargehalt individuelle Prämien für 2004 verteilt. Die Post (12000 Beschäftigte) zahlt ihren Angestellten 91 Prozent eines Monatsgehalts. Die Postbeamten bekommen 80 Prozent – wie in den Vorjahren. Bankgesellschaft und Berliner Volksbank betonen, dass trotz der angespannten Geschäftslage entsprechend dem Tarifvertrag für das Bankgewerbe ein volles 13. Gehalt gezahlt werde. Auch andere große Arbeitgeber in Berlin wie Daimler-Chrysler (6900 Mitarbeiter), Metro (6000) oder Coca-Cola (1300) ändern nichts.

Kompliziert gestaltet sich die Weihnachtsgeldregelung bei Dussmann: „Wir beschäftigen 4000 Mitarbeiter in 100 verschiedenen Berufen – vom Buchhändler über den Koch bis zum Gebäudereiniger“, sagt eine Sprecherin. „Aber wir bleiben bei den gleichen Jahressonderzahlungen wie 2003.“ Diese reichen von einzelvertraglichen Leistungen bis zu tarifvertraglichen Regelungen. Bei der Fluggesellschaft Air Berlin hofft man, dass neben dem üblichen 13. Monatsgehalt, das gesplittet im Mai und November ausgezahlt wird, wie im vergangenen Jahr eine ergebnisabhängige Sonderzahlung hinzukommt. „Das entscheidet sich im Dezember“, sagt eine Sprecherin.

Beim Warenhauskonzern Karstadt (8000 Beschäftigte) ist noch alles offen. Die Details des Sanierungsprogramms werde gerade ausgehandelt. AG/alf/mot

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