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Wirtschaft: „Das wird die Finanzämter auf Jahre beschäftigen“

Fachleute sind mit der Reform der Firmensteuer unzufrieden – die Gewerkschaften sprechen von milliardenschweren Geschenken

Berlin - Die geplante Reform der Unternehmensbesteuerung ist am Freitag auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die Gewerkschaften sprachen von „satten Steuergeschenken“ für die Firmen. Fachleute begrüßten dagegen zwar die Senkung der Steuersätze, bezeichneten aber die Pläne insgesamt als zu kompliziert.

Claus Matecki, Vorstand beim Deutschen Gewerkschaftsbund, sagte, einerseits belaste die Koalition die Verbraucher mit 30 Milliarden Euro durch höhere Steuern und Sozialabgaben im kommenden Jahr. Andererseits steckten SPD und Union den Unternehmen mindestens fünf Milliarden Euro zu. „Das ist kein Fairplay, das ist einfach unverfroren.“ Die Reform sei nicht nötig, da deutsche Firmen im internationalen Vergleich nicht benachteiligt seien.

Die Koalition hatte sich am Donnerstag darauf verständigt, die Steuerlast für Unternehmen von im Schnitt 38,65 auf 29,83 Prozent zu senken. Der Entlastung um 30 Milliarden Euro stehen Belastungen von 25 Milliarden Euro durch zahlreiche Einzelregelungen gegenüber. So gibt es bei Abschreibungen ebenso Einschränkungen wie bei der Verlagerung von Betriebsteilen ins Ausland. Damit Konzerne nicht per Finanzierungsmodell Gewinne ins Ausland und Verluste ins teure Inland verschieben, ist eine sogenannte Zinsschranke geplant: Liegt das Verhältnis von Gewinn zu Zinslast höher als 30 Prozent, können die Ausgaben nicht mehr komplett abgesetzt werden. Ab 2009 soll es auf Kapitaleinkünfte zudem eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent geben.

„Wir haben eine wahnsinnige Komplizierung des Steuerrechts durch diese Reform“, sagte der Hannoveraner Finanzwissenschaftler Stefan Homburg dieser Zeitung. „Man hätte lieber den Satz weniger stark senken und dafür auf viele Einschränkungen verzichten sollen.“ Der Aufwand der Steuerreform stehe in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Mit der Einschränkung von Betriebsverlagerungen würden zudem völlig neue rechtliche Konzepte eingeführt. Die Senkung der Einnahmen um fünf Milliarden Euro hält Homburg für zu gering. „Für Wachstum und Beschäftigung bringt das wenig – doch die Neuregelungen werden Finanzämter und Steuerberater auf Jahre beschäftigen.“

Auch Thiess Büttner, Steuerfachmann beim Münchner Ifo-Institut, begrüßte die Senkung, kritisierte aber die Reform. Die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung, etwa die Zinsschranke, seien „schädlich für Investitionen“. Um diese zu begünstigen, wären eine durchgreifende Reform der Unternehmensteuer nötig gewesen, etwa hin zu dem Konzept, das der Wirtschafts-Sachverständigenrat vorgeschlagen hatte.

Holger Häuselmann, Steuerexperte bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt am Main, begrüßte ebenfalls die geringeren Sätze. Er bezweifelte aber, dass sich die Steuerflucht eindämmen lässt. „Die Unternehmen werden aber immer versuchen, ihre Mittel so steuereffizient wie möglich einzusetzen – und sie werden es auch schaffen. Auf neue Systeme neue Antworten zu finden, ist immer der Antrieb von Konzernen und Mittelständlern.“ Vom Gang ins Ausland werde die Reform die Betriebe ohnehin nicht abhalten – dazu seien etwa die Lohnkosten in Osteuropa im Vergleich zu Deutschland zu niedrig.

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