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Wirtschaft: „Das wird eine Herkules-Aufgabe“

Springer-Chef Döpfner verhandelt kommende Woche mit Investor Saban über den Verzicht auf Pro 7

Berlin – Die Herauslösung des Fernsehsenders Pro 7 aus der TV-Gruppe Pro Sieben Sat 1wird von den betroffenen Unternehmen und Branchenkennern für unwahrscheinlich gehalten. Die Axel Springer AG hatte dem Kartellamt am Mittwoch angeboten, auf den Spielfilmsender Pro 7 zu verzichten, wenn dadurch der Kauf der restlichen Sendergruppe genehmigt würde. Die Behörde signalisierte daraufhin eine Freigabe. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Fusion erst dann vollzogen wird, wenn Pro 7 an einen unabhängigen Erwerber verkauft, dieser Verkauf genehmigt ist und der Sender auch nicht mehr von der Tochterfirma SevenOne Media vermarktet wird.

„Das wird eine Herkules-Aufgabe“, verlautet aus dem Umfeld von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner am Donnerstag. Der Kaufvertrag müsse neu verhandelt, das gesamte Verfahren neu aufgerollt und alle Interessen unter einen Hut gebracht werden. Dennoch, heißt es bei Springer: „Der Verzicht auf Pro 7 wäre für uns die zweitbeste Lösung“. Medienrechtlich wären keine Auflagen und auch kein Verbot zu befürchten, das Kartellamt würde die Freigabe erteilen, außerdem würde sich die finanzielle Belastung erheblich verringern.

Pro 7 wird nach Informationen aus dem Springer-Verlag auf einen Wert von mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt. Der Verzicht auf die Verbundeffekte zwischen den Sendern wäre zwar schmerzlich, heißt es weiter. Dennoch hätte Springer sein Ziel erreicht, neben dem Printgeschäft ein starkes Standbein im deutschen Fernsehmarkt zu haben. Die bisherigen Eigentümer von ProSieben Sat 1, die Finanzinvestoren um den US-Medienunternehmer Haim Saban, signalisierten Springer ihre Bereitschaft, den Kaufvertrag unter Verzicht auf Pro 7 neu auszuhandeln. In der kommenden Woche werden sich Döpfner und Saban zu einem ersten Gespräch treffen.

Der Vorstand von ProSieben Sat 1 reagierte auf die Nachricht am Mittwochabend mit Erstaunen. Weder sei er an den Besprechungen über einen möglichen Verkauf von Pro 7 beteiligt gewesen, noch sei er von Springer oder dem Kartellamt informiert worden, behauptete er. Sobald Informationen vorliegen, werde der Vorstand den Fall prüfen. Noch signalisiert Guillaume de Posch, der Vorstandsvorsitzende von Pro Sieben Sat 1, den Mitarbeitern, einer Zerschlagung nicht zuzustimmen, weil es gegen das Interesse sowohl des Unternehmens als auch der Aktionäre verstoße. Am Donnerstag beruhigte de Posch die Mitarbeiter. „Bitte behalten Sie Ruhe“, schrieb er. Durch Spekulationen solle sich keiner beirren lassen. Er versichere, es seien bisher keine Entscheidungen gefallen. Neben dem Vorstand müssen der Zerschlagung auch Aufsichtsrat und Hauptversammlung zustimmen. Die Hauptversammlung kann aus rechtlichen Gründen frühestens 51 Tage nach einer Einladung stattfinden.

Pro 7 und Sat 1 fusionierten erst im Sommer 2000 zur heutigen ProSieben Sat 1 Media AG, deren Gewinn zur Hälfte aus den Pro-7-Einkünften stammt. Die einzelnen Sender sind im Programm und der Zielgruppenansprache komplementär aufeinander abgestimmt. Würde Pro 7 aus der Gruppe herausgelöst, hätte der Sender nicht nur die Vermarktungsfirma verloren. Auch die Rechts-, Finanz- und Personalabteilung, das Rechnungswesen, die Nachrichten- und Onlineredaktionen sind bei ProSieben Sat 1 zentral organisiert – vor allem aber der Lizenz- und Rechteeinkauf. Um nicht ohne Programm dazustehen, müsste Pro 7 daher Sat 1 bitten, ihm Spielfilme zu verkaufen und mit sämtlichen Hollywood-Studios neu verhandeln. All das stufen Senderverantwortliche als unrealistisch ein.

Entsprechend gelassen gibt sich der Betriebsrat, der noch immer hofft, mit Springer einen kalkulierbaren Arbeitgeber zu bekommen. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keinen Grund zur Aufregung. Das wäre blinder Aktionismus: „Wir halten eine Zerschlagung für praktisch ausgeschlossen.“

Heute werden sich die Direktoren der Landesmedienanstalten erstmals bei ihrem Treffen in Berlin mit der Entscheidung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) befassen. Ihr Veto wäre hinfällig, würde Springer auf Pro 7 verzichten. Unabhängig davon wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Direktoren gegen die KEK-Entscheidung vorgehen. Ein Rundruf des Tagesspiegels bei allen 15 Direktoren ergab, dass mindestens elf den KEK-Beschluss kritisieren und eine Gesetzesreform fordern.

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