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Wirtschaft: Das Zehn-Punkte-Programm wird zur Erfolgsstory des Konzerns

Heinrich von Pierer weckt den schlafenden Riesen - zur Freude der AktionäreThomas Magenhein-Hörmann Wenn der Aktienkurs eines Unternehmens binnen weniger Monate um rund die Hälfte zulegt, sind meist Fusionsgerüchte im Spiel, oder es handelt sich um einen Wert im Neuen Markt. An die Siemens AG, Berlin/München, hat man bei einer solchen Entwicklung in den letzten Jahren sicher nicht gedacht.

Heinrich von Pierer weckt den schlafenden Riesen - zur Freude der AktionäreThomas Magenhein-Hörmann

Wenn der Aktienkurs eines Unternehmens binnen weniger Monate um rund die Hälfte zulegt, sind meist Fusionsgerüchte im Spiel, oder es handelt sich um einen Wert im Neuen Markt. An die Siemens AG, Berlin/München, hat man bei einer solchen Entwicklung in den letzten Jahren sicher nicht gedacht. Der Elektrokonzern wurde eher als schlafender Riese belächelt oder als Bank mit angeschlossener Elektroabteilung verspottet. Mit seinem im Juli 1998 aus der Taufe gehobenen Zehn-Punkte-Programm hat Konzernchef Heinrich von Pierer den Schlummer auch an der Börse beendet.

Erst waren die internationalen Analysten skeptisch, was die angekündigte "Kulturrevolution" im Hause Siemens anbetraf. Zu oft hatten Manager bereits einen Aufbruch versprochen und waren dann doch sitzen geblieben. Diesmal ist alles anders. Seit der Verkündung des Umbauprogramms Mitte Juli 1998 hat die Aktie der Münchner um gut 40 Prozent zugelegt. Mittlerweile glauben auch vorsichtige Börsianer wieder an Siemens. Eine Zwischenbilanz des Zehn-Punkte-Programms zu Beginn des neuen Siemens-Geschäftsjahrs 1999/2000 (zum 30. September) macht diese Einschätzung verständlich. Bereits abgeschlossen sind eine innerbetriebliche Neuaufstellung der Arbeitsgebiete und diverse Verbesserungen der Kapitalstruktur wie die Umwandlung der Vorzugs- in Namensstammaktien. Mitten in der Umsetzung stehen teils spektakuläre Verkäufe von Geschäftsteilen.

Vor kurzem für zwei Milliarden Mark an den Tyco-Konzern verkauft wurden der ehemalige Bereich Elektromechanische Komponenten mit über 12 000 Mitarbeitern und große Teile des Kabelgeschäfts. Kurz vor dem Verkauf stehen nach Angaben von Siemens-Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger die Sparte Nachrichtenkabel, das Geschäft mit Bank- und Kassensystemen des einstigen Teilkonzerns Siemens Nixdorf sowie die Hanauer Vakuumschmelze GmbH. Auch die Veräußerung der Siemens-Anteile am schweizerischen TV-Kabelbetreiber Cablecom soll noch vor Ende 1999 perfekt sein. Andere Aktivitäten werden demnächst an die Börse gebracht.

Den Anfang macht am 15. Oktober die Münchner Epcos AG, der frühere Siemens-Bereich Passive Bauelemente und Röhren. Im März 2000 soll das mittlerweile als Infineon AG firmierende Halbleitergeschäft aufs Parkett folgen und die vollständige Trennung vom einst hochgelobten Chipgeschäft komplettieren. Insgesamt stößt der Elektrokonzern über Verkäufe und Börsengänge rund 17 Milliarden Mark Umsatz und 60 000 seiner zuletzt weltweit gut 440 000 Mitarbeiter ab. Dieser Schnitt dürfte binnen eines Jahres knapp zehn Milliarden Mark in die Kassen bringen. Daneben gibt es laut Neubürger einen Komplex Joint Ventures, wo Siemens zwar nicht aus den betreffenden Geschäften aussteigen, sie aber in Gemeinschaftsunternehmen einbringen will.

Jüngstes Beispiel dafür ist das PC-Geschäft, in dem die Münchner zusammen mit Japans Fujitsu-Konzern gerade eine europäische Unternehmensgruppe schmieden und damit eine chronische Schwachstelle beseitigen. Auch in Bereichen wie der Berliner Verkehrstechnik oder beim Geschäft mit Atomkraftwerken sind angeblich ähnliche Konstruktionen in Vorbereitung. Vergleichsweise zurückhaltend war Siemens bislang bei einem weiteren Teil des Zehn-Punkte-Programms, dem Thema Zukäufen und Neugründungen. Dabei ragt bislang die im März dieses Jahres in den USA aus der Taufe gehobene Internet-Tochter Unisphere Solutions heraus, deren Bildung knapp zwei Milliarden Mark gekostet hat. Nicht nur im Portfolio, auch operativ kam Siemens zuletzt voran. Verlustsparten wie Verkehrstechnik oder Halbleiter konnten ihre Defizite vor Steuern und Zinsen bis Ende Juni 1999 auf zusammen knapp 150 Millionen Mark verringern. Konzernweit wuchs der Nachsteuergewinn in diesem Zeitraum um 17 Prozent auf gut zwei Milliarden Mark, was kein Strohfeuer bleiben soll. Im Frühjahr 2001 will er nach der Umstellung der konzerninternen Rechnungslegung auf US-Standards eine Art Richtfest feiern. Dann soll die runderneuerte Siemens AG endgültig im Konzert der Weltkonzerne mitspielen und an der New Yorker Börse notieren. © 1999

Thomas Magenhein-Hörmann

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