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Datenklau

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Datenschutz: Spionageabwehr als Chefsache

Der Verfassungsschutz warnt: Unternehmen schützen sich zu wenig vor Datenklau. Auf 50 Milliarden Euro schätzen Experten den Wert bedrohten Wissens in Deutschland, auf sieben bis acht Milliarden Euro den jährlichen Schaden durch Konkurrenzausspähung.

Von Michael Schmidt

Verfassungsschützer wollen zunehmend auch gegen Wirtschaftsspionage vorgehen. Der Präsident des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, sprach sich am Montag für eine „gemeinsame Abwehrstrategie von Staat und Wirtschaft“ aus und appellierte an die Unternehmen, verstärkt den Kontakt zum Verfassungsschutz zu suchen. Schließlich gehöre die Spionageabwehr zu dessen „Kernkompetenz“, sagte Fromm auf dem 6. Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur „Bedrohung der Wirtschaft im Zeitalter der Globalisierung“ in Berlin.

Auf 50 Milliarden Euro schätzen Experten den Wert bedrohten Wissens in Deutschland, auf sieben bis acht Milliarden Euro den tatsächlichen jährlichen Schaden durch Datenklau, Know-How-Verlust und Konkurrenzausspähung. Dies sei ein vermeidbarer Schaden, sagten Wilma Merkel und Egbert Kahle von der Universität Lüneburg. Voraussetzung dafür sei aber, dass Unternehmer sich des Risikos bewusster wären und mehr als bisher die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden suchten. Noch wisse jeder zweite Unternehmer in Deutschland überhaupt nichts von deren Arbeit – und halte sie mit Blick auf seinen Betrieb auch für unnötig.

Eine fatal naive Haltung, wie Thomas Menk von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW) zu bedenken gab. Der Leiter Konzernsicherheit der Daimler AG zeichnete ein düsteres Bild der Wirtschaftswirklichkeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Nicht nur wirtschaftsexterne Faktoren wie politische Krisen, Terrorismus, Extremismus – Stichwort „militante Kampagne“ und der G-8-Gipfel von Heiligendamm im Sommer 2007 – gefährdeten deutsche Unternehmen, sondern zunehmend auch die „immanenten Risiken“ einer globalisierten Wirtschaft. Der steigende Konkurrenzdruck führe zu einem wahren „Wirtschaftskrieg“, die Fortsetzung des Wettbewerbs mit anderen, aggressiven, ja illegalen Mitteln. Dennoch würden viele Manager nur zurückhaltend in die Sicherheit investieren oder gar darüber nachdenken, „bestehende Sicherheitsstrukturen abzubauen“. Ein Fehler, sagte Menk, „das Gegenteil wäre richtig und erforderlich“. Und mehr Austausch mit staatlichen Behörden im Rahmen eines „proaktiven Krisenmanagements“ zur Gefahrenfrüherkennung und -abwehr wünschenswert.

Verfassungsschutzreferatsleiter Herbert Kurek führte aus, was Unternehmer von seiner Behörde erwarten können: Aufklärung, Sensibilisierung, Information – und Vertraulichkeit. Für viele Betriebe ist dies ein wichtiger Faktor, da sie fürchten, als Opfer eines Spionageangriffs bekannt zu werden. Deutschland, nicht reich an Ressourcen, aber an Wissen, wecke „als Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie und Forschungseinrichtungen von Weltklasse“ naturgemäß Begehrlichkeiten, sagte Kurek. Und zwar nicht nur von Konkurrenzunternehmen, sondern auch von fremden Staaten und ihren Nachrichtendiensten. Für viele Länder sei die parasitäre Abkürzung zu wichtigem Wissen via Spionage eine Möglichkeit, Zeit und Geld für eigene Forschung und Entwicklung zu sparen. Dabei gelte das Abschöpfen von Kenntnissen und Informationen über neue Produkte, Fertigungsprozesse oder Vertriebswege durch die staatlich gelenkte Ausspähung von Unternehmen als ganz selbstverständliches Instrument staatlicher Existenzfürsorge. Vor allem in Russland und China gehöre die staatlich gestützte Wirtschaftsspionage gewissermaßen zur Staatsräson. „Hier hat der Verfassungsschutz seine Aufgabe“, sagte Kurek. Der Schutz eines Unternehmens liege zwar primär in der Verantwortung des Unternehmers und sollte idealerweise Chefsache sein, so Kurek. Er fügte aber hinzu: „Spionageabwehr ist Teamwork“. Wer sich an den Verfassungsschutz auf Länder- oder Bundesebene wende, könne Informationen über die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Geheimdienste unterschiedlicher Staaten erhalten. Auch gebe der Verfassungsschutz Tipps, was man etwa gegen E-Mail-basierte elektronische Angriffe per Internet tun oder wer bei technischen Lösungen weiterhelfen könne.

Der technische Schutz der IT-Systeme ist für Verfassungsschützer Kurek dabei nur eine Seite der Medaille. Genauso wichtig, wenn nicht bedeutender sei der Faktor Mensch: Der wirksamste Schutz und die wertvollste Ressource eines Unternehmens sei die Sensibilität und Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter.

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