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Wirtschaft: "Dauersubventionen darf es nicht geben" - Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister im Gespräch

Matthias Gabriel ist Wirtschaftminister von Sachsen-Anhalt. Als Ostdeutscher hat seine Meinung zum Aufbau Ost besonderes Gewicht.

Matthias Gabriel ist Wirtschaftminister von Sachsen-Anhalt. Als Ostdeutscher hat seine Meinung zum Aufbau Ost besonderes Gewicht. Mit ihm sprach Martina Ohm.

Herr Gabriel, wo steht Ostdeutschland nach zehn Jahren Einheit?

Seit der Wende haben wir im Osten einen recht beachtlichen Weg zurückgelegt. Wenn man bedenkt, dass wir damals kurz vor der Zuteilung von Lebensmittelkarten standen. Es hat sich nicht nur optisch viel um uns herum verändert, sondern auch substanziell. Zwei Drittel unserer Ost-Wirtschaft wurde erneuert.

Das klingt nicht schlecht. Besteht zu Optimismus wirklich Anlass?

Zweckoptimismus liegt mir fern. Ich finde nur, wir können stolz auf das sein, was erarbeitet wurde.

Wer auf Dauer von anderen abhängig ist, wird irgendwann nicht mehr richtig stolz sein. Wie lange bleibt der deutsche Osten auf Transferszahlungen aus dem Westen angewiesen?

Wissen Sie, was mich an dieser Frage und an der ganzen Diskussion um die Transferszahlungen für den Osten so stört? Es wird eine Missstimmung erzeugt. Auch in Bayern wird schließlich Kindergeld gezahlt, und die Bundeswehr kostet im Osten proportional weniger als im Westen. Es wird alles in einen Topf geworfen. Wenn der Westen Geld bekommt, redet keiner von Transferszahlungen. Immer nur dann,wenn die Mittel gen Osten fließen.

Und wie lange soll noch gezahlt werden?

Es hat nicht alles mit Geld zu tun. Es kommt auf die Stimmung an. Die Aufbruchstimmung muss zurück kommen.

Dann kommen die Investoren von alleine?

Die Stimmung spielt dabei auch eine Rolle. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Sachsen-Anhalt bei der Ansiedlung von ausländischen Investoren im Osten schon heute die Nummer eins ist; obwohl wir die schlechteste Wirtschaftsstruktur und die höchste Arbeitslosigkeit geerbt haben.

Was kann man von Sachsen-Anhalt lernen?

Man darf keine falschen Versprechungen machen. Und trotz eines gesunden Problembewusstseins sollten die Menschen auf das bisher Erreichte stolz sein können.

Die Arbeitslosenquote im Osten ist doppelt so hoch wie im Westen. Wie kann man das Problem in den Griff bekommen?

Wir sollten nicht nur auf die Arbeitslosenquote schauen, sondern auch auf die Beschäftigung. Natürlich fehlen uns etwa 135 000 Arbeitsplätze. Aber Rheinland-Pfalz beispielsweise hat eine niedrigere Erwerbstätigenquote als Sachsen-Analt mit seinen rund 56 Prozent.

Was hilft?

Der Dreh- und Angelpunkt bleibt die Industrieansiedlung. Es fehlen im Osten die industriellen Kerne. Bei den meisten Unternehmen handelt es sich doch nur um Ableger oder verlängerte Werkbänke. Allerdings muss ich auch sagen, dass unsere Perspektiven nicht schlecht sind. Immerhin liegen unserem Landesförderinstitut Investitionsanträge in Höhe von zehn bis elf Milliarden Mark für die gewerbliche Wirtschaft vor.

Glauben Sie, dass das Interesse ohne öffentliche Förderung genauso groß wäre?

Um es klar zu sagen: Dauersubventionen darf es nicht geben. Aber wir brauchen noch etwa fünf Jahre die öffentliche Unterstützung.

Wie soll das finanziert werden?

Nicht alles muss der Staat finanzieren. Es gibt auch Aufgaben, die von der Privatwirtschaft übernommen werden können. Vor allem in die Infrastruktur muss doch investiert werden. Gemessen am Ausbau in Westdeutschland ist hier noch einiges zu tun. Beispiel Sangershausen im Südharz. Bevor die Autobahn da war, war kaum jemand für die Region zu begeistern. Jetzt ist das völlig anders. Und ich sage Ihnen, so ist das überall. Wichtig ist, dass es schnell geht. Die A 14 zwischen Halle und Magdeburg hat zehn Jahre gedauert.

Macht Ihnen die Restprivatisierung der Treuhand-Nachfolgerin BvS keine Sorgen? Es gibt 6000 Restverträge.

Und ob mir das Sorge macht. Dabei ist klar, dass die Privatisierungsvorgänge seit längerem schon anders gehandhabt werden. Aber es geht um mehrere tausend Arbeitsplätze. Ich wünschte mir, dass die EU-Kommission die restlichen Verfahren ebenso unbürokratisch abwickelt wie in früheren Zeiten. Die großen Anstrengungen der Vergangenheit dürfen nicht durch Starrheit infrage gestellt werden. Andernfalls dürfte auch der Europa-Gedanke leiden.

Und fürchten Sie nicht, durch die Altlasten-Sanierung über Gebühr zur Kasse gebeten zu werden?

Nur Thüringen hat sich mit dem Bund bisher einigen können. Der Bund hat ein Problem, das er loswerden muss. Die Länder bestehen zunächst auf gründliche Recherchen zu den Altlasten. Erst danach kann darüber verhandelt werden, wieviel Geld wer warum braucht. Wir sind gesprächsbereit.

Herr Gabriel[wo steht Ostdeutschland nach zehn Ja]

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