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Wirtschaft: David Odonkor kommt Panini nicht in die Tüte

Das italienische Unternehmen druckt wie ein Weltmeister. Allein nach Deutschland wurden 100 Millionen Fußballerbilder geliefert

Rom - Seit dem 6. März laufen die Druckmaschinen im norditalienischen Modena rund um die Uhr. Die Nachfrage, so heißt es bei dem italienischen Fußballbild-Produzenten Panini, übersteige alles bisher Dagewesene. Zweieinhalb Milliarden der in blaue Tütchen eingeschweißten Sammelbilder streut die Firma zur Fußball-WM in mehr als 110 Länder dieser Welt. Die WM schlägt alle bisherigen Rekorde. 4,5 Millionen Alben seien insgesamt im Umlauf, allein nach Deutschland sind nach Unternehmensangaben bislang 100 Millionen Tüten ausgeliefert worden, die Tüte mit fünf Bildern für 50 Cent.

Vor dem Sammel-Virus sind auch Politiker nicht gefeit. Der nordrhein-westfälischen Bauminister Oliver Wittke (CDU) wurde dabei gefilmt, wie er in einer Debatte des Landtags zu Hartz IV Panini-Bildchen in sein Album einklebte.

Die Firma Panini hat schon früh angefangen, die bunten Klebebildchen zu drucken: 1961 hat sie in ihren „Wundertüten“ die erste Kollektion mit Fußballerbildchen auf den Markt gebracht und mit Klebealben die Sammelwut der Fans gepuscht. Mehr als 20 Milliarden Abziehbilder allein mit Fußballern wurden seither produziert. Unumstrittener Weltmarktführer ist Panini in diesem Geschäft schon seit langem. Die italienische Post hat die 45-jährige Erfolgsgeschichte der „figurine“ oder der „fifi“, wie die Sticker hier heißen, kürzlich zu einem Klebebild der besonderen Art verarbeitet: Sie vertreibt eine Jubiläumsbriefmarke. Und Panini selbst legt dieses Jahr bereits sein zehntes WM-Spezialalbum vor.

Alles begann in einem Zeitungskiosk in Modena. Er gehörte den Brüdern Giuseppe, Benito, Franco Cosimo und Umberto Panini, denen, von Berufs wegen, die damals üblichen Tütchen-Sammelbilder in die Hand fielen. Diese Erfindung aus Paris gab es bereits seit 1867, meist in Verbindung mit Zigaretten. Die Paninis beschlossen, sie mit jenem Sport zu füllen, der in Italien als der einzig wahre gilt: mit Fußball.

Der erste Kicker, der zu Panini-Ehren kam, war Bruno Bolchi, Kapitän von Inter Mailand – damals noch in Schwarzweiß. Dann fanden die Paninis einen Fototechniker, der die Konterfeis kolorierte. Ende der 60er Jahre machten sie den Fans das Kleben leichter, indem sie die Kartonbildchen gleich mit Fotoecken auslieferten. 1970, zur WM in Mexiko, trat das Unternehmen erstmals international an, und 1974 verkauften sie auf Anhieb in Deutschland drei Millionen Tütchen. Neben Fußballern drucken sie noch vieles andere: Micky Maus und Donald Duck, Tiere, Flugzeuge, Barbie, Schlümpfe, Pokemon, auch Filmhelden wie Harry Potter und den König der Löwen.

Aber wie sollte man die verschiedenen Sammelmotive gleichmäßig auf die Tüten aufteilen? Anfangs lösten die Brüder Panini das Problem eher landwirtschaftlich: Sie verstreuten alle Bildchen auf einer großen Fläche, dann kamen Arbeiter mit Schaufeln und warfen sie so lange gegen die Wand, bis eine gleichmäßige Vermischung angenommen werden konnte.

Mathematisch exakt wurden die Sticker erst mit der „Fifimatic“ verpackt – einer Erfindung von Umberto Panini, die garantieren soll, dass in keiner Tüte ein doppelter Spieler vorkommt und dass in den einzelnen Aufstellkartons beim Händler auch alle 596 Motive des aktuellen WM-Albums vorhanden sind. Passionierte Sammler glauben zwar bis heute nicht an diese „mathematische Exaktheit“, aber Panini besteht darauf: alle Bilder würden in gleicher Zahl gedruckt, ohne Ansehen der Person gestreut. Wenn ein „Oliver Kahn“ schwieriger zu finden sei als andere und ein „David Odonkor“ oder „Jens Lehmann“ gleich gar nicht in die Tüte kommen, dann liege das ausschließlich am frühen Redaktionsschluss im Januar. Die Druckmaschinen waren auf Grund erster Auskünfte des DFB schon programmiert, als Nationaltrainer Jürgen Klinsmann seine Mannschaftsaufstellung endgültig festlegte. Dafür fehlt Klinsmann selbst im WM-Sammelalbum – ein Schicksal, das er mit den anderen Trainern der Welt teilt. Wenigstens Lehmann wurde nachgedruckt. Mehreren Zeitschriften wurde sein Bild kostenlos beigelegt, auch bei Nachbestellungen soll es ihn automatisch dazu geben. Im Album ist aber weiterhin nur Platz für einen Torwart.

1988 war den Panini-Brüdern ihr Erfolg so über den Kopf gewachsen, dass sie das Geschäft an Amerikaner verkauften. Doch elf Jahre später holten sich die Italiener ihre Firma zurück. Seither gehört die Panini Spa mit ihren 640 Beschäftigten zu 100 Prozent dem Industriellen Vittorio Merloni, der ansonsten Haushalts- und Küchengeräte produziert. 400 Millionen Euro Umsatz, Tendenz leicht fallend, haben die Klebebildchen im vergangenen Jahr gebracht. Im WM-Jahr 2006 erwartet Firmenchef Arrigo Beltrami eine Zunahme um 25 bis 30 Prozent – schon allein, weil die WM in Europa stattfinde, wo Paninis Hauptmärkte liegen: Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien. Für die Bildrechte gebe man „einige Millionen Euro“ aus, sagt Beltrami, „manchmal“ verhandle man mit Spielern oder Verbänden auch vergeblich um eine Druckgenehmigung. Die Frage nach den Unternehmensgewinnen lässt Beltrami unbeantwortet.

Die Gründerfamilie Panini – von den vier Brüdern sind noch zwei am Leben – hat die Produktion inzwischen auch auf Bücher ausgedehnt. Sie gehört heute nicht nur zu den größten Comic-, sondern auch zu den bedeutendsten Kinderbuchproduzenten Europas. Darüber hinaus verlegt sie wertvolle Kunstbände und kostbarste Faksimile-Drucke mittelalterlicher Bücher sowie „archäologische“ Prachtstücke, die in den Augen der Sammler nicht weniger wertvoll sind: Die nachgedruckte Kollektion aller WM-Bildchenalben seit Mexiko umfasst mittlerweile zehn Bände plus einen Registerband.

Voll eingeschlagen hat offenbar die neueste Geschäftsidee aus dem Klebebild-Imperium: Übers Internet kann sich jeder in seinem Lieblingstrikot als Weltklassefußballer drucken lassen. Original Panini-Sticker mit Zertifikat. „Läuft sehr erfolgreich“, sagt Direktor Beltrami: „Wir haben schon mehr als zehntausend Kunden.“

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