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Händler in Frankfurt: 12.000 Punkte sind eine "psychologisch wichtige Marke"

© Frank Rumpenhorst / dpa

Dax über 12.000 Punkten: Selbst Optimisten staunen

Experten hatten die 12.000-Punkte-Marke erst zu Ende des Jahres für realistisch gehalten, doch jetzt sprang der Dax schon Mitte März darüber. In diesem Jahr hat er bereits 22 Prozent zugelegt - und ein Ende seines Höhenfluges ist nicht in Sicht.

Selbst optimistische Händler und Aktienstrategen hatten diese Marke frühestens für das Jahresende im Blick. Am Montagvormittag schauen viele Profis im Handelssaal der Frankfurter Börse um 9:41 Uhr ungläubig auf die große Anzeigentafel: 12 001 war da zu lesen. Um 14:56 sind es dann sogar 12 139 Punkte. Schon wieder hat der Deutsche Aktienindex (Dax) einen Rekord erreicht und dabei zum zweiten Mal eine, wie die Börsianer sagen, wichtige psychologische Schwelle überwunden. Am 13. Februar war die Marke von 11 000 Punkten geknackt worden. Jetzt wird die nächste Hürde ausgerechnet am „Tag der Aktie“ überwunden. Den hatten die Deutsche Börse und Direktbanken ausgerufen, um endlich mehr Bundesbürger für die Aktienanlage zu gewinnen. Alle 30 Dax-Aktien und auf den Dax ausgelegte börsengehandelte Fonds konnten am Montag gebührenfrei gekauft werden. Und tatsächlich schrecken die inzwischen doch ziemlich teuer gewordenen Aktien noch nicht vom Kauf ab.

Auf dem Börsenparkett zeigen auch am Montag viele Finger gen Osten. Dort steht in Frankfurt am Main die Europäische Zentralbank (EZB). Sie gilt wegen der vor einer Woche begonnenen Käufe von Staatsanleihen der Euro-Länder als Haupttreiber der Kurse. Mittlerweile hat sie für mehr als zehn Milliarden Euro gekauft und damit die Renditen staatlicher Anleihen weiter gedrückt. Dieser Umstand und die nahezu an der Nulllinie hängenden Zinsen, die Banken und Sparkassen für Spar- und Tagesgeldkonten gewähren, geben den Aktien seit Wochen einen Schub. Wer Geld anlegen will, hat derzeit wenig Alternativen zu Aktien.

Aber die Profis werden vorsichtig. „Mir ist schon lange mulmig“, sagt Oliver Roth, langjähriger Chefhändler der CloseBrothersSeydler Bank. „Die Gefahr der Blasenbildung ist extrem groß. Da ist viel Spekulation im Spiel“. Mit einer gewissen Fassungslosigkeit blickt er auf seine Handelsschirme im Frankfurter Börsensaal. Und doch hält der Ex-Fußball-Profi eine weitere Bergfahrt für möglich. Solange es keinen externen Schock gebe, laufe der Markt weiter. „Durchaus auch bis auf 13 000 oder 14 000 Punkte.“ Bei einem Schock, etwa einem Grexit gebe es vermutlich eine deutliche Korrektur. Allerdings keine wirkliche Trendwende mit länger anhaltenden Kursverlusten.

„Der Dax begibt sich zunehmend auf dünnes Eis“, glaubt Bernd Krampen, Aktienstratege bei der NordLB. „Gewinnmitnahmen und eine Korrektur dürften anstehen.“ Einen Absturz des Dax erwartet aber auch Krampen nicht. „Wir koppeln uns langsam von den fundamentalen Trends ab“, ergänzt Chris-Oliver Schickentanz, Chef-Anlagestratege der Commerzbank. Die Kurse hätten immer weniger mit der tatsächlichen Lage der Unternehmen zu tun. Der Abkoppelungsprozess könne aber Monate, wenn nicht Jahre dauern, fügt Schickentanz hinzu.

Tatsächlich pumpt die EZB bis mindestens September 2016 Monat für Monat 60 Milliarden Euro über ihr Anleihe-Programm in den Finanzsektor. Insgesamt 1,14 Billionen Euro. Ökonomen glauben, dass ein erheblicher Teil des Geldes angelegt wird – in Aktien. Zudem kaufen mehr und mehr US-Anleger, angezogen durch den schwachen Euro, europäische und deutsche Aktien, hat der Commerzbanker Schickentanz beobachtet.

Trotz der Rekordfahrt des Dax seit Jahresanfang mit einem Plus von rund 22 Prozent müsse man, so sagt Krampen, mittelfristig nicht „zu pessimistisch“ sein. Neben der EZB-Geldflut und den extrem niedrigen Zinsen sprechen der schwache Euro und das günstige Öl für Aktien. Beides hilft der Konjunktur und den Unternehmen: Der Export wird angetrieben, weil deutsche Maschinen und Güter im Dollarraum günstiger werden.

Ob Privatanleger das Sonderangebot von Börse und Direktbanken am Tag der Aktie zum gebührenfreien Kauf von Anteilsscheinen genutzt haben, war am Montag unklar. „Wir werten die Daten erst am Dienstag aus“, sagte Thomas Bieler von der ING Diba. Für Börsenhändler Roth steht fest, dass auch Privatanleger mitgemischt haben. „Hier ist richtig viel los. Die Umsätze sind deutlich höher als am vergangenen Freitag.“

Möglicherweise sind also am Tag der Aktie doch ein paar Bundesbürger mehr zu Aktienanlegern geworden. Aktionäre sind in der Bevölkerung deutlich in der Minderheit. Seit dem Höchststand 2001 haben 4,4 Millionen Deutsche der Börse den Rücken gekehrt, allein im vergangenen Jahr rund eine halbe Million. Nur 8,4 Millionen oder 13 Prozent der Bundesbürger über 14 Jahre, so das Deutsche Aktieninstitut (DAI), besaßen Ende 2014 Aktien. Nur sieben Prozent des Geldvermögens von fünf Billionen Euro stecken nach Angaben der Bundesbank in Aktien. „Wenn wir aus den Köpfen der Menschen nicht die falsche Vorstellung rauskriegen“, sagt Franz-Josef Leven vom DAI, „dass Aktie automatisch mit Geld verlieren verknüpft wird, dann bekommen wir in Deutschland nie eine Aktienkultur hin.“ Seit Jahresanfang liegt der Dax nun 22 Prozent im Plus. Seit März 2009 ist er um sagenhafte 8400 Punkte oder mehr als 230 Prozent gestiegen.

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