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Gewinne im Blick. Pandora-Gründer Tim Westergren (zweiter von links) und Präsident Joe Kennedy (Mitte) beim Börsenstart in New York. Foto: Reuters

© REUTERS

Wirtschaft: Defizitäres Radio bringt Milliarden

Die US-Firma Pandora geht erfolgreich an die Börse – und nährt Ängste vor einer neuen Internetblase

Während Amerikas Wirtschaft durch die Krise taumelt und die Staatsverschuldung neue Rekordstände erreicht, feiert die Wall Street mit billigem Geld immer neue Spekulationsexzesse. Jüngstes Beispiel: das Internetradio Pandora, das gestern an der Börse seinen Einstand feierte. Zweimal wurde im Vorfeld der Ausgabekurs der Aktie angehoben, zunächst von neun auf zehn bis zwölf Dollar, zum Schluss griffen die Anleger für 16 Dollar pro Aktie zu. Und das, obwohl zwischenzeitlich auch das Ausgabevolumen um 47,5 Prozent angehoben wurde.

Die Gesamtbewertung des Unternehmens aus dem kalifornischen Oakland lag damit bei gut 2,6 Milliarden Dollar – bei einem Umsatz im ersten Geschäftsjahresquartal 2011 von gerade einmal 51 Millionen Dollar. Pandora schrieb in diesem Zeitraum noch nicht einmal schwarze Zahlen, sondern einen Nettoverlust von 6,8 Millionen Dollar.

Doch harte Fakten spielen derzeit kaum eine Rolle. Nach wenigen Minuten am ersten Börsentag lag der Kurs noch einmal rund 50 Prozent über dem Ausgabekurs und pendelte dann um plus 30 Prozent zum Emissionskurs.

Die euphorische Nachfrage bei den jüngsten Börsengängen nährt Befürchtungen, es könnte zu einer neuen Internet-Blase kommen. Linked-In, der chinesische Facebook-Konkurrent Renren und die russische Suchmaschine Yandex legten glänzende Marktauftritte hin. Viele Investoren fiebern möglichen Börsenlistings von Internet-Riesen wie Facebook (siehe Kasten) und Twitter entgegen.

Pandora wurde vor elf Jahren gegründet und bietet ein auf die persönlichen Vorlieben der Hörer ausgerichtetes Web-Radio an. Ende April 2011 hatten sich 94 Millionen Nutzer für den Service registriert, wobei das Unternehmen selbst einräumt, dass lediglich rund 34 Millionen davon auch aktive Nutzer sind.

Der größte Teil des Umsatzes wird mit Werbung verdient, im abgelaufenen Quartal 85,5 Prozent. Den Rest steuern Abonnenten bei, die Gebühren bezahlen, um keine Werbung hören zu müssen. Größter Kostentreiber sind laufende Lizenzzahlungen für die momentan gut 800 000 Lieder im Repertoire.

Hier liegt eines der großen Probleme: Steigt die Nutzerzahl, steigen auch die Lizenzzahlungen. Das macht es schwer, die Margen zu erhöhen um in die Gewinnzone zu kommen. Es sei denn, das Anzeigenwachstum ist überproportional. Doch da gibt es das nächste Problem: Immer mehr Pandora-Hörer nutzen ihr Smartphone für den Musikgenuss unterwegs statt den PC zu Hause. Bereits 60 Prozent der Hörerstunden entfallen auf mobile Endgeräte. Anzeigen und Audio-Werbung auf Mobiltelefonen wird jedoch schlechter bezahlt als Werbung im „normalen“ Internet. Analysten wie Richard Greenfield von BTIG warnen: „Nicht, dass wir nicht glauben, dass Pandora Gewinn machen könnte. Aber es wird schwer, so viel zu machen, um diese Bewertung zu rechtfertigen.“

Am Tag des Börsengangs bekräftigte Pandora-CEO Joe Kennedy in einem TV-Interview zwar, dass man den Wunsch der Anleger nach Profitabilität respektiere. Allerdings stellte er gleichermaßen fest, dass er keine Voraussagen machen werde, wann die Gewinnzone erreicht werden könnte.

Vom Erlös des Börsengangs fließen rund 139 Millionen Dollar in die Taschen der Altinvestoren, 96 Millionen stehen für den Ausbau Pandoras bereit. CEO Kennedy will damit unter anderem die Internationalisierung vorantreiben und Kooperationen mit Herstellern von Unterhaltungselektronik eingehen, damit der Dienst ab Werk auf möglichst vielen Geräten vorinstalliert ist. Das könnte einen anderen Risikofaktor abmildern: Große Konkurrenten wie Apple, Amazon und Google bauen eigene Musikdienste im Internet auf, was zu einem verschärften Kampf um die Hörer und die Anzeigenkunden führt. HB/rtr

Axel Postinett[San Francisco]

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