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Wirtschaft: Dem Aufschwung droht die Kreditklemme

Die Geschäftsbanken sind mehr mit sich selbst als mit ihren Firmenkunden beschäftigt – das trifft vor allem den Mittelstand

Es klang so aufmunternd, was die Europäische Zentralbank im Juli in ihren Monatsbericht schrieb: Die Banken im Euroraum sind bei der Kreditvergabe nicht mehr so streng, und sie wollen in den kommenden Monaten die Zügel weiter lockern. „Die Banken erwarten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine geringere Verschärfung der Kreditrichtlinien“, meldete die Notenbank. Einige Beobachter sahen in den Ergebnissen der vierteljährlichen EZB-Umfrage schon ein Signal für den nahenden Aufschwung: „Die Banken helfen bei der Wirtschaftserholung“, titelte eine Zeitung.

Doch die Hilfsbereitschaft der Kreditinstitute scheint nicht so ausgeprägt zu sein, wie es die Interpreten der EZB gern hätten – zumal in Deutschland nicht. Das wissen vor allem die Mittelständler. „Der Euroland-Vergleich hinkt“, sagt Gunter Kayser, Geschäftsführer des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung. Etwa ein Drittel der 2,7 Millionen Umsatzsteuerpflichtigen in Deutschland, also gut 900000 kleine und mittelständische Firmen, beklagten nach wie vor, dass vor allem die Geschäftsbanken den Kredithahn zugedreht oder ihre Vergabebedingungen verschärft hätten. „Wenn sich das plötzlich geändert hätte“, so Kayser, „wäre das mal ein ganz neuer Trend.“

Danach sieht es nicht aus. „Das Signal, das die EZB aussendet, ist beim Handwerk noch nicht angekommen“, bestätigt Alexander Barthel, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung des Zentralverbands ZDH. Die im VDMA organisierten deutschen Maschinen- und Anlagenbauer haben ebenfalls noch nichts von der neuen Freigiebigkeit der Banken gespürt. Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kann die Umfrage der Zentralbank empirisch auch noch nicht stützen. „Wir würden es ja begrüßen, wenn die Banken ihre Kreditvergabe tatsächlich schon lockern würden“, sagt Matthias Schoder, Leiter der Abteilung Unternehmensfinanzierung. „Aber die Konsolidierung des Bankensektors steht dem entgegen.“

In der Tat. Die deutschen Banken haben immer noch – und weit mehr als viele britische oder südeuropäische Institute – mit Ertragsproblemen, Unternehmenspleiten, den Folgen des Börsencrashs und der Rezession zu kämpfen. Die Margen, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben im Kreditgeschäft, sind hierzulande niedriger und weniger nach Risikoklassen differenziert als in anderen Euro-Regionen. Folglich müssen sich die deutschen Banker vorerst weiter damit beschäftigen, ihren Kreditbestand zu bereinigen, um so Risiken abzuwerfen und Kosten zu sparen. In vielen Fällen heißt das aber: Es werden weniger Kredite vergeben. „Wir bauen unser Kreditportfolio um insgesamt 40 Milliarden Euro ab“, sagt ein Sprecher der Hypo-Vereinsbank (HVB). „Davon sind Firmenkunden überproportional betroffen – und das wird 2003 so bleiben.“

Der Kahlschlag zeigt Wirkung. Die Ergebniskurven der HVB oder der Deutschen und der Commerzbank zeigten im zweiten Quartal wieder nach oben. Doch die ersten Resultate der Restrukturierung kommen beim Mittelstand, der in Deutschland 70 Prozent der Arbeitsplätze stellt, noch nicht an: Wer sich wie kleine Handwerker oder Dienstleister nicht aus eigener Kraft finanzieren kann oder in den Genuss von Förderkrediten kommt, sondern auf die Fremdfinanzierung seiner Hausbank angewiesen ist, steckt in der Bredouille. „Das ist noch keine allgemeine Kreditklemme, aber der Zugang zu Krediten ist für die Kleinen deutlich schwerer geworden – vor allem für ostdeutsche Firmen und die Baubranche“, sagt Matthias Schoder vom DIHK. „Die Fixkosten eines Kreditantrags sind für die Geschäftsbanken viel zu hoch“, erklärt ZDH-Mann Alexander Barthel. Ein Firmenkredit über 200000 Euro ist deshalb bei einer Großbank kaum noch zu bekommen. Die Kundschaft wandert zur Konkurrenz, den Sparkassen, ab. Sie reichen nach eigenen Angaben schon jetzt deutlich mehr als 80 Prozent aller neu vergebenen Unternehmenskredite in Deutschland aus.

Dass sich vor allem kleine Mittelständler mit verschärften Bonitätsanforderungen (Basel II), schlechteren Kreditkonditionen und höheren Sicherheiten herumschlagen müssen, ist indes nicht neu. Noch hält sich der Leidensdruck aber in Grenzen. Solange nämlich die Konjunktur am Boden liegt, bleiben der Finanzbedarf der Unternehmen gering und die Kreditnachfrage schwach.

Zuspitzen könnte sich die Lage, wenn der Aufschwung kommt. Die Zeiten, in denen sich zum Beispiel ein mittelständischer Maschinenbauer auf die Anzahlung seiner Kunden verlassen konnte, seien vorbei, sagt Josef Trischler, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft beim VDMA. „Wenn sich die Auftragsbücher wieder füllen, brauchen die Unternehmen Betriebsmittelkredite.“ Ob die Hausbanken für die Anlauffinanzierung bereitstünden, sei offen. „Dann wird sich zeigen, ob die Banken verlässliche Partner für uns sind.“

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