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Durchatmen. Mit Achtsamkeit kann man die eigene psychische Widerstandskraft stärken. Wer resistenter auf Stress reagiert und weiß was einem gut tut, schützt sich vor Erschöpfungsdepressionen. Foto: AFP

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Wirtschaft: Dem Burnout trotzen

Überstunden, Familie und wenig Schlaf – der Umgang mit Stress lässt sich trainieren.

Warum durchstehen manche Menschen Schicksalsschläge und Krisen, während andere daran zerbrechen? Warum können die einen jahrelang 50 Stunden pro Woche und mehr mit Leidenschaft und Spaß am Job arbeiten, während andere ausbrennen? Das liegt an der unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeit zur Resilienz, schreibt Autorin Christina Berndt. Psychische Widerstandskraft lässt einen Menschen Krisen als Chancen begreifen. Sie ist geprägt von einer positiven Lebenseinstellung, die Gelassenheit und Selbstsicherheit bewirkt. Die Autorin ist Wissenschaftsjournalistin bei der Süddeutschen Zeitung. Zu ihren Fachthemen gehören Medizin und Forschung, entsprechend hat sie umfangreich über das Phänomen recherchiert und führt diverse wissenschaftliche Studien und Einzelfälle heran.

Demnach scheinen nicht nur die Persönlichkeit, Humor und eine positive Lebenseinstellung Einfluss auf die Resilienz zu haben, sondern in einem Wechselspiel auch Gene und Umwelt. Forscher fanden heraus, dass die Grundlagen für Widerstandskraft schon in frühester Kindheit gelegt werden. So sind Menschen, die als Babys die Erfahrung machten, dass sie für ein Lächeln mit positiver Zuwendung belohnt wurden, später selbstbewusster und verfügen über eine größere Gelassenheit.

Aber psychische Widerstandskraft lässt sich auch im Erwachsenenalter trainieren, schreibt Berndt. Erstaunlich daran: Wenig resiliente Menschen seien besonders wandlungsfähig. Es gibt also Hoffnung für Ausgebrannte. Andererseits kann auch derjenige, der sehr widerstandsfähig ist, diese Kraft verlieren. Das ist bei vielen Burn-out-Gefährdeten beispielsweise der Fall. Umso wichtiger ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Tipps sind weitgehend bekannt: Dazu zählt ein soziales Umfeld, genügend eigener Handlungsspielraum, aber auch die Fähigkeit, Situationen zu akzeptieren und anzunehmen. Die American Psychological Association hat einen Zehn-Punkte-Plan entwickelt, mit dem sich die Widerstandsfähigkeit trainieren lässt; Berndt stellt ihn ausführlich dar. Demnach ist neben dem sozialen Umfeld, das nicht nur die Familie umfasst, sondern auch Freunde sein können, vor allem eine Perspektive wichtig, die Krisen nicht als unlösbare Probleme wahrnimmt. Berndt führt hier als Beispiel eine Familie an, die nach dem tragischen Tod ihres Kindes sich bewusst von allem Negativen abschottete, sich nur auf das Positive konzentrierte und es so schaffte, neuen Mut zu finden.

Die Akzeptanz, dass Veränderungen zum Leben gehören, lenkt den Blick vom Unabänderlichen auf das, was änderbar ist, so die Autorin. Irgendwann lassen sich realistische Ziele entdecken, die sich mit entschlossenem Handeln erreichen lassen. Das sorgt für neue, positive Erfahrungen, und die stärken das angeschlagene Selbstbewusstsein. Wer eine Krise gemeistert hat, fühlt sich in der Regel stark. Das trägt dazu bei, eine Langzeitperspektive zu entwickeln: Man sollte stets das Beste erwarten statt sich Sorgen über Dinge zu machen, vor denen man Angst hat. Berndt gibt konkrete Tipps zum Abschalten. Ein kleines Achtsamkeitstraining hilft dabei, sich nur auf den Moment zu konzentrieren. Das macht auch schwierige Situationen erträglicher.

Die Ergebnisse von Berndts intensiven Recherchen bereichern das Buch zwar, allerdings sind viele Einzelbeispiele redundant. Die Autorin schildert umfangreich die schrecklichen Geschichten von Überlebenden des 11. Septembers und des Massakers von Utøya oder individuelle Schicksalsgeschichten – zwar haben die von Berndt ausgewählten Menschen ihre Krisen dank einer hohen Resilienz überstanden, dennoch ertappt sich der Leser dabei, die Fälle einfach zu überblättern.

Das Buch enthält Selbsttests, Tabellen und Auflistungen. So werden die wichtigsten Ergebnisse prägnant zusammengefasst. Die Fakten sind fundiert, die Sprache ist klar und verständlich. Außerdem hat die Autorin ein ausführliches Literaturverzeichnis und Glossar erstellt. Das lädt ein, mit dem Buch zu arbeiten. „Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft“ ist ein spannendes, verständliches Fachbuch, das anregt, über die eigene Psychohygiene nachzudenken. (Zeit.de)

Tina Groll

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