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Wirtschaft: Dem Spenden-TÜV droht das Aus

Über 800 Anfragen gehen jeden Tag beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) ein. Privatpersonen und Unternehmen, Behörden und Medien wollen wissen, welche der vielen karitativen Organisationen, die um Spendengelder bitten, seriös sind und welche nicht.

Über 800 Anfragen gehen jeden Tag beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) ein. Privatpersonen und Unternehmen, Behörden und Medien wollen wissen, welche der vielen karitativen Organisationen, die um Spendengelder bitten, seriös sind und welche nicht. Das DZI hat 2150 Hilfswerke durchleuchtet und sich dadurch bundesweit den Ruf eines "Spenden-TÜV" erworben; an 150 hat sie das "Spenden-Siegel" verliehen. Die Zahl der Spendenorganisationen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Nicht so die Kapazitäten des DZI. Wenn bis Ende Mai nicht noch ein Wunder geschieht, steht das bundesweit einzigartige Institut mit Sitz in Berlin jetzt sogar vor dem Aus.

Der Grund: Das Land Berlin hat für 2003 seinen Zuschuss in Höhe von 370 000 Euro gestrichen, wodurch die Hälfte des Instituts-Haushaltes weggebrochen ist. Die andere Hälfte setzt sich zusammen aus Fördergeldern des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der IHK Berlin, des Deutschen Städtetages und Eigeneinnahmen. Wenn sich bis Ende Mai kein Sponsor findet, der für den Landeszuschuss einspringt, müssen am 1. Juni betriebsbedingte Kündigungen für ein Großteil der 22 Mitarbeiter des DZI ausgesprochen werden.

"Das wäre eine Katastrophe", sagt Hans-Joachim Kemper vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), "an wen sollen wir uns dann wenden?". An die vom BDI vertretenen Industrieunternehmen gehen immer mehr Spendenaufrufe, und es werde immer schwerer, die dahinter stehenden Organisationen zu beurteilen. "Das DZI ist unentbehrlich, wenn man herausfinden will, was eine Organisation mit den Spendengeldern tatsächlich macht", sagt auch Elisabeth Viebig, die bei Daimler-Chrysler Spenden verteilt. Sie hat auch das Spenden-Siegel-Bulletin des DZI abonniert. Das Heft wird zweimal im Jahr aktualisiert und listet die Hilfswerke auf, die das DZI mit dem Spenden-Siegel ausgezeichnet hat. Momentan sind es 150. Sie machen aber nur rund ein Drittel des gesamten Spendenvolumens in Deutschland aus. Die Gefahr, einer unseriösen Spendenaufforderung aufzusitzen, ist also groß. Wer das Siegel haben will, sollte sachlich für seine Belange werben, die Spenden für den gemeinnützigen Zweck verwenden und seine Bücher offen legen. Die Gebühren für das Siegel belaufen sich auf 500 bis 8000 Euro, je nach Spendenaufkommen der Organisation. "Wenn wir mehr verlangen, machen wir uns abhängig", sagt Ingrid Stahmer, die DZI-Vorstandsvorsitzende und ehemalige Berliner Sozialsenatorin. Von Bedeutung ist nicht nur das Hilfswerke-Archiv, sondern auch die Bibliothek, in der das DZI seit 1893 Literatur zur Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Wohlfahrtspflege zusammenträgt, die umfassendste Sammlung ihrer Art in Deutschland.

Um den fehlenden Landeszuschuss auszugleichen, hat Ingrid Stahmer Kontakt mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung (BMVEL) aufgenommen. Das BMZ nutzt seit Jahrzehnten die Daten des DZI über gemeinnützige Entwicklungshilfeprojekte. Bei den Gesprächen sei bisher aber lediglich eine "Bemühenszusage" herausgekommen, so Stahmer. In beiden Ministerien heißt es, man prüfe das Anliegen des DZI, die Lage sei aber "sehr schwierig". Es sei kaum möglich, kurzfristig für 2003 Gelder aus den bereits verplanten Etats herauszulösen. Für 2004 sieht es nach Angaben des Verbraucherministeriums besser aus.

Stahmer ist froh, dass wenigstens das Familienministerium seine Unterstützung nicht gekürzt hat, und hofft, dass es sich bereit erklärt, die Bibliothek, das Archiv und den eigenen Verlag zu unterstützen, da sie der bundesweiten Wohlfahrtspflege dienen. Weitere Adressaten für Stahmers Unterstützungsaufruf sind das Bundesfinanzministerium und die Finanzbehörden der Länder. Denn auf der Suche nach Steuerhinterziehern und illegalen Spendengeldern greifen die Behörden seit Jahren auf die Materialien des DZI zurück. "Aber Finanzministerien sind es überhaupt nicht gewohnt, Zuwendungen zu geben", sagt Stahmer und hofft, dass sie doch noch eine Ausnahme erwirken kann.

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