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Wirtschaft: Dem Wachstum auf der Spur

Verbraucher und Firmen sind optimistisch wie lange nicht – doch aus Hoffnung wird frühestens am Jahresende Wirklichkeit

WIE MAN DEN AUFSCHWUNG ERKENNT

Die Hitze hilft dem Aufschwung. „Bei dem Wetter braucht jeder ein neues Sommeroutfit – und geht gerne einkaufen“, sagt Konjunkturexpertin Elga Bartsch von der Investmentbank Morgan Stanley. Nicht nur die Volkswirtin ist der Meinung, dass der Aufschwung kommt – erst recht nach dieser Woche, in der die wichtigsten Konjunkturindikatoren Optimismus verbreiteten. Ob Geschäftsklima oder Konsumstimmung: Unternehmer und Verbraucher blicken wieder mit Hoffnung in die Zukunft.

„Alle Zeichen sprechen für einen Aufschwung zum Jahresende“, sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Alles deutet darauf hin, dass es im Herbst ein mildes Wachstum gibt“, sagt auch Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America. „Die Aufwärtsentwicklung kommt schon im September“, prophezeit Martin Hüfner, Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank.

Genährt wurde die Zuversicht der Experten von guten Nachrichten aus den USA: Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal stark gestiegen, die Einkaufsmanager setzen zum ersten Mal seit dem Irak-Krieg wieder auf Wachstum. So fängt der Aufschwung an: Die Verbraucher geben mehr Geld aus, die Unternehmen investieren, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, und der Export bringt die Konjunktur erst richtig in Fahrt. Und irgendwann kommt der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt an. Nichts wünschen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel sehnlicher: zwei Prozent Wachstum im kommenden Jahr, damit die Steuern wieder fließen, der Schuldenberg nicht größer wird – und die Arbeitslosigkeit endlich sinkt. Doch das kann dauern, denn die Unternehmen versuchen zunächst, ihre Kapazitäten, die sie in der Krise reduziert haben, auszuschöpfen.

Schröders Wunsch könnte nicht nur deshalb unerfüllt bleiben. Experten warnen davor, die Frühindikatoren als sichere Anzeichen für einen lang anhaltenden Aufschwung zu interpretieren. „Die jetzigen Indikatoren deuten lediglich auf eine Erholung im dritten und vierten Quartal dieses Jahres hin“, sagt Hüfner von der Hypo-Vereinsbank. „Im Laufe des nächsten Jahres wird das wieder abflachen.“ Dann hätten die Konsumenten ihren Nachholbedarf gedeckt und die Unternehmen ihren Investitionsstau aufgelöst. Die vorgezogene Steuerreform, mit der Schröder den privaten Konsum ankurbeln will, verfehle ihre Wirkung, glaubt Hüfner. Denn: Zur Finanzierung der Reform werden Subventionen wie die Eigenheimzulage gekürzt, was den Konsumenten wieder belaste. Ein Nullsummenspiel.

Nach Hüfners Meinung muss viel mehr geschehen, als in der Agenda 2010 geplant ist: den Kündigungsschutz lockern, den Ladenschluss abschaffen, die private Altersvorsorge forcieren. Auch Heinemann vom ZEW warnt „ganz klar vor zu viel Euphorie“. Die Frühindikatoren seien noch kein Zeichen dafür, dass Deutschland sein Wachstumsproblem löse. Schmieding von der Bank of America glaubt, dass „aus einer milden konjunkturellen Erholung“ nur ein langfristiger Aufschwung wird, wenn „die Agenda 2010 rigoros umgesetzt wird“.

Wie schnell die Stimmung wieder kippen kann, zeigte sich vor einem Jahr. Damals stieg der der Ifo-Geschäftsklimaindex ebenfalls dreimal in Folge – doch das Wirtschaftswachstum blieb aus, Deutschland rutschte in die Rezession. Ereignisse wie der Irak-Krieg können alle Prognosen zunichte machen. „Das ist alles reine Psychologie“, sagt Hypo-Vereinsbank-Experte Hüfner. Verlassen könne man sich darauf nicht.

Flora Wisdorff

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