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Zwei Großbaustellen hat Kretschmann: Stuttgart 21 und die EnBW. Foto: dpa

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Wirtschaft: Den Drachen steigen lassen

Winfried Kretschmann erklärt der Berliner Wirtschaft grüne Regierungspolitik

Berlin - Die Frage war eher rhetorischer Natur, der Gastgeber wollte ein bisschen provozieren. „Hand aufs Herz, Herr Kretschmann, sind Sie links?“, fragte IHK-Präsident Eric Schweitzer. Das ist er natürlich nicht. Und so war denn der kleine Vortrag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten im Großen und Ganzen nach dem Geschmack der Berliner Wirtschaftsvertreter, die sich am Donnerstagmorgen zum Frühstück in der Berliner IHK eingefunden hatten. Die Kernphilosophie Winfried Kretschmanns kann man auch jedem aufgeklärten CDUler in den Mund legen. Etwa zu Bildung und Ausbildung: „Wir werden den Kommunen und Schulen sehr viel mehr Eigenständigkeit geben.“ Der Ministerpräsident versteht sich als Dienstleister der Wirtschaft. „Wir werden den Unternehmen ausbildungsfähige Jugendliche übergeben.“ Und deshalb alles auf „Bildung, Bildung, Bildung“ setzen.

Mit Hilfe von Ökologie und Bildung konstruierte Kretschmann den zumindest semantischen Kern seiner Politik: Nachhaltigkeit, wie es ein Konservativer nicht viel besser könnte. Man muss sparen, um investieren zu können, und mit den Investitionen schafft man dann einen Kapitalstock. Dieser Kapitalstock besteht Kretschmann zufolge im Wesentlichen aus Wissen und Ressourcen. „Das Wissen lässt sich vermehren, die Ressourcen sind endlich.“ Wenn eine Ressource aber knapp wird, erhöht sich der Preis und treten Spekulanten auf den Plan. Also muss man sparsamer mit den knappen Güter haushalten und Ersatz für sie suchen. Kurzum: „Unserer Wirtschaft muss nachhaltiger werden.“

Das reklamierte er auch für die Finanzpolitik. Kretschmann bezeichnet sich als „großen Anhänger der Schuldenbremse“, grundsätzlich „sollte Wachstum nicht schuldenbasiert sein“. Ist es aber allerorten, meinte der Grüne, und machte „das griechischen Virus“ an allen Ecken und Enden Deutschlands aus. Selbst im Musterland. Sein CDU-Vorgänger Stefan Mappus hatte mit Krediten den Kauf von knapp 50 Prozent des Energiekonzerns EnBW finanziert, die Dividende sollte dann mindestens für die Zinsen reichen. „Wenn die Zinsen steigen und die Dividende sinkt, dann bekomme ich ein Problem“, sagte Kretschmann. Und genau dieses Problem zieht gerade auf: „Nach Stuttgart 21 ist EnBW die größte Baustelle, die ich gerade habe.“

Kretschmann hätte den Energiekonzern nicht gekauft. Er ist für eine strikte Arbeitsteilung zwischen Politik und Wirtschaft. „Wir können den grünen Drachen steigen lassen, aber umsetzen müssen die Unternehmer das ja.“ Der Ministerpräsident will den Ordnungsrahmen setzen und Geld in Bildung und Forschung stecken. Investieren tut die Wirtschaft. „Großen Respekt“ hat er vor den Autokonzernen, die gegenwärtig Milliarden für die Entwicklung der Elektromobilität ausgeben – obwohl niemand wirklich weiß, wohin die Reise geht. „Was wir als Land beitragen können ist die Grundlagenforschung.“ Und dann wird man sehen. „Ich bin Anhänger eines Ordnungsrahmens, der Technologieoffenheit gewährleistet.“

Das gefällt den Berlinern. Auch die Antwort auf die Frage des IHK-Chefs, ob man nicht die Aufteilung von Bundesministerien auf Bonn und Berlin korrigieren müsse. „Ich war für Bonn“, sagt Kretschmann. „Aber wenn man eine Entscheidung gefällt hat, dann muss man sie richtig fällen. Ich halten nicht viel von der Trennung.“ Alfons Frese

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