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Wirtschaft: Den Krankenkassen drohen neue Risiken

Die Aut-Idem-Regelung für Medikamentenverschreibungen bringt weniger Einsparungen als erhofft

Berlin (ce/brö/pet). Die AutIdem-Regelung, die die teuren Arzneikosten senken soll, bringt nach Angaben der Betriebskrankenkassen deutlich weniger Einsparungen als erhofft. „Das Einsparvolumen dürfte auch in diesem Jahr nicht erreicht werden“, sagte Christine Richter, Sprecherin des BKK-Bundesverbandes, dieser Zeitung. „Wir befürchten, dass die Kassenkosten dann aus dem Ruder laufen.“ Medikamente gelten als größter Kostentreiber im Gesundheitswesen.

Die im Februar 2002 eingeführte Aut-Idem-Regelung soll die Kosten für Arzneimittel deutlich senken. Nach der Aut-idem-Regelung dürfen Apotheker bei Arztrezepten unter wirkstoffgleichen Arzneien nur solche im unteren Preisdrittel abgeben. Es sei denn, der Arzt hat ausdrücklich vermerkt, dass das teurere Medikament gewählt werden soll. Doch von dem durch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) avisierten Einsparvolumen von 225 Millionen Euro pro Jahr sind die tatsächlichen Zahlen nach den ersten Erkenntnissen der Krankenkassen weit entfernt.

Nach Angaben der BKK lag der Sparbeitrag im vergangenen Jahr nur bei 45 Millionen Euro. Nach den ersten zwei Monaten des Jahres 2003 rechnen BKK-Experten nach Angaben der Sprecherin damit, dass das Einsparpotenzial in diesem Jahr „bei maximal 140 Millionen Euro, vielleicht sogar noch darunter“ liegen wird. Das Bundesgesundheitsministerium geht dagegen nach wie vor davon aus, dass das gesetzte Sparziel nach einem etwas mühseligem Start erreicht wird. „Im Jahr 2002 haben wir unser Ziel nicht erreicht", sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Für das Jahr 2003 gehe das Ministerium aber davon aus, dass der Sparbetrag von 225 Millionen Euro wie geplant erreicht werden könne.

Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) glaubt sogar, dass noch mehr Geld gespart werden kann. Aut-idem umfasst zwar erst die Hälfte der in Frage kommenden Präparate (rund 16 000), dennoch rechnet der BAH mit Einsparungen von 300 Millionen Euro. Der Effekt werde erreicht, weil die Hersteller ihre Preise massiv gesenkt hätten, argumentiert der Verband. Die optimistische Prognose der Hersteller könnte allerdings auch in der Angst der Unternehmen vor neuen Regulierungen begründet sein, meinen die Krankenkassen.

Angesichts des Milliardendefizits der Krankenkassen hatte die Bundesregierung zu Jahresbeginn ein Gesundheitssparpaket beschlossen, das die Krankenkassen insgesamt um 2,8 Milliarden Euro entlasten soll. Es sieht unter anderem höhere Zwangsrabatte für Pharmahersteller, Großhändler und Apotheker und eine Nullrunde für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser vor. Experten bezweifeln aber auch, dass in den anderen Bereichen so viel Geld gespart werden kann, wie geplant.

Noch keine genauen Daten

Bisher liegen dem Bundesgesundheitsministerium noch keine Daten vor, ob das Gesetz tatsächlich im gewünschten Umfang greift. Allerdings ist absehbar, dass der Anstieg der Arzneimittelausgaben auch in diesem Jahr bisher ungebremst ist. Nach vorläufigen Daten des Instituts für medizinische Statistik (IMS) sind im Januar die Ausgaben für Medikamente um fünf bis 5,5 Prozent gestiegen. Gesundheits-Staatssekretär Klaus Theo Schröder geht jedoch davon aus, dass dieser Anstieg im Jahresverlauf durch die gesetzlich verordneten Zwangsrabatte von Pharmaindustrie, Großhandel und Apothekern noch kompensiert werden könne. Durch diese Rabatte sollen die Krankenkassen im laufenden Jahr um 1,37 Milliarden Euro entlastet werden.

Die deutschen Ärzte seien von den Einsparbemühungen im Medikamentenbereich bisher allerdings ebenfalls ziemlich unbeeindruckt geblieben, kritisiert der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske. Dadurch entstehe weiterer Kostendruck für die Krankenkassen. Die Ärzte gäben das Geld für Medikamente weiterhin „mit vollen Händen aus“. Schuld daran sei auch ein „enormer Marketing-Druck durch die Pharma-Industrie“. Immer noch würden die Industrie und ihre Pharmavertreter bei den Ärzten zahlreiche Medikamente unabhängig von ihrer Wirksamkeit aggressiv bewerben, moniert der Ökonom.

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