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Das Debakel um den Berliner Flughafen lässt IHK-Präsident Eric Schweitzer nicht los.

© DAVIDS

Der 160-Prozent-Mann: IHK-Chef Schweitzer hat Gefallen an der Bundespolitik

Seit drei Monaten ist Eric Schweitzer DIHK-Präsident. Am Zeitmanagement arbeitet er offenbar noch - und BER-Manager Hartmut Mehdorn findet er richtig gut.

Berlin – Das Rechnen scheint er etwas verlernt zu haben, seitdem er für die gesamte gewerbliche Wirtschaft in Deutschland spricht. Auf die Frage, wie er seine Zeit jetzt aufteile, sagt Eric Schweitzer: „Es sind 40 Prozent Familie, 40 Prozent Betrieb, 40 Prozent IHK und 40 Prozent DIHK.“ Ein Dutzend Journalisten hat der 160-Prozent-Mann zum Abendessen ins „Soho House“ eingeladen und dort in den Saal „Politbüro“ – er gibt sich entspannt, offen und durchaus selbstironisch. Er habe schließlich nur ein Berliner Abitur, sei deswegen nicht so rechenstark.

Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer ist der 47-Jährige seit neun Jahren, Präsident der Dachorganisation, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, seit drei Monaten. „Das macht richtig großen Spaß“, sagt er über das neue Ehrenamt. So dreht sich das Gespräch vor allem um Bundespolitik: Fachkräftemangel, Steuern, Infrastruktur – das sind die Felder, auf denen Schweitzer wirken will.

„Wir sollten es in Deutschland schaffen, dass jedes Kind einen Anspruch auf einen Ganztagesschulplatz hat“, schlägt er vor. Das bedeute nicht zwingend, alle Schulen zu Ganztagesschulen zu machen. Aber nur mit einem Rechtsanspruch, wie es ihn ähnlich bei Kindergartenplätzen künftig gebe, ließen sich Frauen stärker in Erwerbstätigkeit bringen. Auch brauche Deutschland „eine andere Willkommenskultur“, um für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv zu sein. Das sei nötig, um die deutsche Wirtschaftskraft zu erhalten. „Wir brauchen insgesamt eine andere Einstellung zur Zuwanderung.“

Eine andere Einstellung zur Steuerpolitik fordert er von den Grünen und vor allem von Fraktionschef Jürgen Trittin. Höhere Einkommensteuer, Vermögensteuer („der reine Wahnsinn“) und Änderungen bei der Erbschaftsteuer: Das sei in der aktuell schwierigen Wirtschaftslage das falsche Signal und bedrohe 1,85 Millionen Arbeitsplätze. Jüngst habe er Trittin empfohlen, die Steuern gleich auf 100 Prozent zu erhöhen, da falle das Rechnen leichter. Es gebe aber einige grüne Politiker, zu denen er ein gutes Verhältnis habe, Renate Künast oder Cem Özdemir zum Beispiel.

Fatal findet er den Umgang der Bundesregierung mit der Infrastruktur und ihr Management der Energiewende. Allein bei den Autobahnen summiere sich der Investitionsstau auf 2,5 Milliarden Euro im Jahr. „Das heißt, wir lassen unsere Infrastruktur verlottern.“ Und auch die Energiewende, die er im Grundsatz begrüße, laufe falsch und müsse eine marktwirtschaftliche Grundlage erhalten. Jährlich würden 20 Milliarden Euro über das Erneuerbare-Energien-Gesetz umverteilt, dagegen sei die DDR marktwirtschaftlich organisiert gewesen.

Ein Berliner Thema, das Schweitzer nicht loslässt, bleibt BER. Vom immer wieder in der Kritik stehenden Flughafenchef Hartmut Mehdorn habe er sich gerade die Baustelle zeigen lassen. „Wenn der hinschmeißt, haben wir ein richtiges Problem“, sagt Schweitzer. „Er ist zumindest jemand, der große Projekte gemacht hat und der es kann.“ Offenbar herrsche kein Vertrauensverhältnis zwischen Mehdorn und Bauleiter Horst Amann, was Konsequenzen erfordere. „Da bin ich immer für Ober sticht Unter.“

Mehdorns Vorschlag einer schrittweisen Eröffnung, der in der Berliner Politik für Furore gesorgt hat, stößt auf Schweitzers Zustimmung. „Ich halte die grundsätzliche Idee, mit einer Mindestauslastung anzufangen und Stück für Stück zu eröffnen, für gut.“ Seine Erfahrung mit komplexen Projekten seines Entsorgung- und Recyclingkonzerns Alba sage ihm, dass man einen Flughafen unter voller Auslastung nicht von einem Tag auf den anderen Tag eröffnen könne. Die heutigen Probleme gingen auf frühere Managementfehler zurück. „Ein Fünf-Milliarden-Projekt mit 70 Männeken zu führen: Das kann nicht funktionieren.“

Am Donnerstag besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die IHK, aber Schweitzer weiß genau, dass sich in der Bundespolitik bis zur Wahl in drei Monaten wenig tun wird. Auf wen er setzt, will er sich nicht anmerken lassen. „Wir haben auch Herrn Steinbrück eingeladen, aber er hat abgesagt.“ Erst habe Merkel mit der SPD regiert, jetzt mit CSU und FDP, „und was kommt, weiß keiner“. Aber ganz so ahnungslos ist er dann doch nicht. Nach der Wahl werde sicher wieder die Mehrwertsteuer für Hoteliers erhöht, sagt er beiläufig. Wer so denkt, kommt nicht auf die Fortsetzung des aktuellen Bündnisses mit der FDP, bei der Schweitzer bis vor einem Jahr Mitglied war. Sagen tut er es nicht, aber ginge es nach ihm, gäbe es wohl wieder eine Große Koalition oder Schwarz-Grün – aber nicht mit Trittin als Finanzminister.

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