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Ein Pennenhelfer des ADAC in Aktion, im Vordergrund und Warnschild, auf dem steht: "Panne, ADAC"

© picture alliance / dpa

Der ADAC will sich reformieren: Retter suchen Rettung

Vor seiner Hauptversammlung herrscht beim Autoklub ADAC Chaos. Nur mit einer Neuausrichtung wird er überleben können.

"Das ist ja wie beim ADAC“ – in München, wo der krisengeschüttelte Allgemeine Deutsche Automobilclub in einer pompösen Zentrale residiert, ist diese Redewendung mittlerweile zum geflügelten Wort geworden. Als etwa kürzlich auf geheimniskrämerische Weise eine neue Lizenz für ein Oktoberfest-Zelt vergeben wurde, lautete die Kritik: ein Verfahren wie beim ADAC.

Am kommenden Samstag will der Club auf seiner jährlichen Hauptversammlung den „tiefgreifenden Reformprozess“ erläutern und darüber diskutieren, wie Interims-Präsident August Markl sagt. Denn seit der im Januar aufgedeckten Manipulationsaffäre um gefälschte Zahlen bei der Wahl zum „Gelben Engel“, dem angeblichen Lieblingsauto der Deutschen, geht es im größten deutschen Verein mit knapp 19 Millionen Mitgliedern drunter und drüber. Ein Skandal nach dem anderen wurde publik, Führungskräfte mussten gehen, insgesamt steht die Organisation mit ihren vielen Verästelungen und massiven wirtschaftlichen Interessen als extrem undurchschaubares und korruptionsanfälliges Gebilde da.

Nach den Entdeckungen der Zahlenfälschungen, von Flügen im Rettungshelikopter für das Führungspersonal und dem „Föhnen“ eines nassen Fußballrasens mit einem ebensolchen Hubschrauber riss die Reihe von Turbulenzen und unangenehmen Enthüllungen nicht ab. So muss sich der Autoverein derzeit einer Versicherungssteuerprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 unterziehen. Erstmals, so teilte der ADAC mit, werde von den Finanzbehörden thematisiert, ob die Mitgliedsbeiträge des Vereins zumindest zum Teil der Versicherungsteuer unterliegen. Einen inhaltlichen Austausch mit der Steuerprüfung gab es zwar bisher laut ADAC nicht. In Medienberichten wird allerdings spekuliert, dass dem Club eine Steuernachzahlung von 500 Millionen Euro drohen könnte. Mit dem geschassten Kommunikationschef Michael Ramstetter befindet sich der Verein im Streit um Geld und Abfindungen. Es geht um viel Geld, wahrscheinlich werden sich die Gerichte damit befassen müssen. Mit dem ehemaligen Geschäftsführer Karl Obermair hat man sich inzwischen einvernehmlich geeinigt. Der kurz vor seiner Amtsenthebung zurückgetretene Ex-Präsident Peter Meyer wiederum ist weiterhin kein unbedeutender Mann in der Vereins-Nomenklatura: Wie eh und je führt er den ADAC Nordrhein, einen der 18 mächtigen Regionalclubs.

Des Weiteren mussten sich die Münchener den Vorwurf gefallen lassen, dass die „Gelben Engel“ des ADAC-Pannendienstes in einigen Fällen bestimmte Automarken offenbar bevorzugt haben. Es geht dabei um die „Mobilitätsgarantien“ für Modelle etwa von Mercedes-Benz, Volvo oder Ford. Bleibt ein solches Auto auf der Straße liegen, beauftragt der Autohersteller den ADAC mit der Pannenhilfe. Laut „Süddeutscher Zeitung“ wurden deren Besitzer im Fall des Falles rascher bedient als ADAC-Mitglieder. Der Verein bestreitet das in dieser Form, spricht allerdings von missverständlich formulierten Dienstvorschriften für die Mitarbeiter.

Ist der ADAC ein Verein oder ein Konzern?

Das Amtsgericht München überprüft derzeit obendrein, ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit, generell den Vereinsstatus des ADAC. Es soll entschieden werden, ob der Club angesichts seiner zahlreichen wirtschaftlichen Aktivitäten überhaupt noch ein „Idealverein“ ist. Dies ist ein Verein, der ideelle Ziele hat und keine wirtschaftlichen Gewinne anstrebt. Angesichts der vielen für den ADAC negativen Geschehnisse mutet da der Austritt von bisher 286 000 Mitgliedern als noch relativ mild an.

Neues Personal und viele externe Berater sind gerade dabei, den Verein zu durchleuchten und umzukrempeln. Die Wirtschaftskanzlei Freshfields prüft die Compliance-Regelungen des ADAC sowie der 18 Regionalclubs. Mögliche Defizite bei der Einhaltung von Bestimmungen und Richtlinien sollen dann benannt und abgestellt werden.

Auch hat sich der ADAC einen neuen, externen Beirat gegeben, der dem Verein auf dem „Weg der Erneuerung“ zur Seite stehen soll. Der kommissarische Präsident Markl wünscht sich davon eine „kritische, konstruktive Begleitung“. Dem vierköpfigen Gremium gehören Hans-Jürgen Papier, einst Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und Edda Müller, die Vorsitzende der Anti-Korruptions-Vereinigung Transparency International, an. Zudem sitzen darin der Manager Jürgen Heraeus und der Stiftungs-Experte Rupert Graf Strachwitz. Allesamt gelten sie als honorige Persönlichkeiten.

Nur Delegierte dürfen kommen - Mitglieder nicht

Zudem wird die Geschäftsführung des Clubs umgebaut. Mit dem ADAC-Eigengewächs Marion Ebentheuer zieht erstmals in der 111-jährigen Geschichte des Vereins eine Frau in das derzeit dreiköpfige Leitungsgremium ein. Im Juni soll der Wirtschaftsprüfer Thomas Kagermeier hinzustoßen. Er kommt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und gilt als Fachmann für saubere Unternehmensführung.

Die Hauptversammlung am 10. Mai in Saarbrücken bringt gleichfalls ein paar Neuerungen mit sich. Bisher verliefen die Vereinstreffen stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit, jetzt sind die Medien zur Berichterstattung eingeladen. Allerdings kommen nur rund 190 Delegierte, die von den verschiedenen Regionalclubs bestimmt wurden – es werden also weitestgehend Funktionäre mit Funktionären diskutieren. Das gemeine ADAC-Mitglied darf indes nicht teilnehmen. Das gilt auch für die im Februar angekündigte außerordentliche Hauptversammlung, die dem Vernehmen nach nun frühestens Ende November stattfinden soll.

Die angekündigten Maßnahmen zur Öffnung und Transparenz gegenüber den Mitgliedern werden wohl auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. So war beschlossen worden, ein Online-Portal einzurichten, auf dem ADAC-Mitglieder anonym über Missstände im Verein berichten sollten. Das Portal gibt es bis immer noch nicht.

Dieser Text weicht von einer früheren Fassung teilweise ab. Der ADAC hat zu einzelnen Punkten Stellung bezogen - diese haben wir hier berücksichtigt.

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