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Wirtschaft: "Der Alu-Gott vom Zürichsee"

ZÜRICH .Eine aufgehende Sonne ist das Signet der Alusuisse.

ZÜRICH .Eine aufgehende Sonne ist das Signet der Alusuisse.Sie symbolisiert das Reich, in dem die Sonne nicht untergeht.Denn der schweizerische Konzern erstreckt sich über alle fünf Kontingente.In Deutschland produziert Alusuisse im baden-württembergischen Singen.Das 110jährige Unternehmen kann auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken - mit Blütezeiten und Krisen, Massenentlassungen, Streiks und Umweltproblemen.Heute gehört die Alusuisse-Lonza-Gruppe (Algroup) zu den 20 größten Industrie-Unternehmen der Schweiz.Vom reinen Aluminium-Produzenten und -Verarbeiter hat sie sich zu einem profitablen Mischkonzern gewandelt, nachdem sie 1974 die Basler Chemiefirma Lonza übernommen hatte.Alusuisse avancierte inzwischen zur "Großmutter", hat die Tochter Lonza doch selber 30 Töchter und Beteiligungen in aller Welt.Als drittes Standbein neben Aluminium und Chemie kam 1993 mit dem Kauf der kanadischen Firma Lawson Mardon die Verpackungs-Industrie dazu.

Drei Pioniere waren es, die am 12.November 1888 die Schweizerische Aluminium AG am Rheinfall gründeten - und damit die erste europäische Aluminiumhütte: Paul Héroult, der Erfinder der Aluminium-Elektrolyse, und die beiden Industriellen Peter Huber-Werdmüller und Gustave Naville.In die Dörfer Chippis, Siders und Steg zog bald die Industrie ein.Jahre später stand jeder dritte Walliser Industriearbeiter im Dienste der Alusuisse.

Der Zweite Weltkrieg brachte einen unerwarteten Aufschwung.1942 beschäftigte Alusuisse 3785 Arbeiter, die Hälfte davon im Aluschmelzwerk Chippis.Nach Kriegsschluß kam es zu Stillegungen und Entlassungen, bis der Indochina-Krieg die Produktion wieder belebte.In den sechziger Jahren begann im Kanton Wallis der Fluorkrieg.Aluminium wird mit Hilfe von Strom aus Tonerde gewonnen.Um den Schmelzpunkt bei der Elektrolyse herabzusetzen, benötigt man Fluor, das dabei als Gas entweicht.Dieses Fluorgas wurde den im Wallis angebauten Aprikosen zum Verhängnis.Die Kulturen litten stark, die Erträge gingen von 10 000 auf 800 Tonnen zurück.Schließlich wurde die Alusuisse gezwungen, ihre Fabriken umweltverträglich zu machen.

Seit den 70er Jahren lenkte Emanuel Meyer die Geschicke des Konzerns, der zum mächtigsten Unternehmer der Schweiz wurde.Der Volksmund nannte ihn den "Alu-Gott vom Zürichsee".In Zürich nämlich residierte er in der repräsentativen Konzernzentrale.Ins Gerede geriet der Big Boß, als er sich der Sekte eines indischen Mönchs in Wintherthur anschloß und auch die Konzernspitze zu missionieren versuchte.Er wollte alle zu "kosmischen und göttlichen Persönlichkeiten voll inneren Glücks" machen.Erst als sich die Sekte immer mehr mit den Behörden anlegte und in zahlreiche Prozesse verstrickte, entschloß sich Meyer zum Austritt.

Daß er 1986 entmachtet wurde, hatte allerdings andere Gründe: Das einseitige Aluminiumgeschäft brachte den Konzern nahe an den Bankrott.Sein Nachfolger, Hans Jucker, mußte "nackt und ohne Reserven" in die Bresche springen.Doch ihm gelang es, das Schiff durch Diversifizierung wieder auf Kurs zu bringen.Unter seinem Nachfolger Theodor Tschopp wurde die Alusuisse 1990 zur Holding, in der die Lonza den Bereich Chemie selbständig führte.1997 übernahm der kanadisch-italienische Finanzchef Sergio Marchionne das Zepter.Zu den größten Aktionären gehört heute mit elf Prozent Beteiligung die BZ-Gruppe des Bankiers Martin Ebner.Seine Alusuisse-Aktien haben einen Wert von 1,3 Mrd.Franken.5,6 Prozent der Aktien hält Christoph Blocher, Chef der Ems-Chemie.Dritter im Bunde ist der deutsche Mövenpick-Besitzer August von Fink mit zehn Prozent.

IRMGARD LOCHER

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