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Wirtschaft: Der Bahn-Streik wird teuer

Wirtschaft befürchtet Produktionsausfälle / Auto- und Stahlhersteller sind am stärksten betroffen

Berlin - Die deutsche Wirtschaft befürchtet erhebliche Schäden, sollten die Lokführer im Güterverkehr in den kommenden Tagen streiken. Auch die Umwelt könnte erheblich darunter leiden, hieß es am Freitag. Firmen in Berlin befürchten allerdings bislang keine Probleme.

Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verursacht ein Streik im Güterverkehr am Tag einen volkswirtschaftlichen Schaden von 25 bis 50 Millionen Euro. Betroffen seien vor allem der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie und der Transport fossiler Brennstoffe. Ab einer Streikdauer von sieben bis zehn Tagen vervielfache sich der Schaden auf bis zu 500 Millionen Euro täglich und sei „volkswirtschaftlich nicht mehr zu verkraften“, sagte die DIW-Verkehrsexpertin Claudia Kemfert. „Wenn die sehr empfindlichen Stellen, wie zum Beispiel die Häfen in Hamburg oder Bremerhaven, bestreikt werden, kann es sehr schnell zu Chaos kommen.“

Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) transportiert die Bahn täglich Waren für 240 Millionen Euro. Die Konzernsparte Railion ist mit 3,9 Milliarden Euro Umsatz und 5000 Güterzügen täglich die größte Güterbahn auf dem Kontinent. Insgesamt werden 17,7 Prozent aller hierzulande transportierten Güter mit der Eisenbahn befördert. Eine Sprecherin der Bahn sagte, im Fall eines Streiks werde eine Absprache über vorrangige Züge mit allen Kunden im Güterverkehr getroffen.

„Neben dem direkten wirtschaftlichen Schaden, der Deutschland durch den Totalausfall des Güterverkehrs entstünde, würde auch die Umwelt durch Rückverlagerung von Transporten auf die Straße stärker geschädigt werden“, warnte Roland Pörner, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie. Auch das Image der Schiene als zuverlässiger Verkehrsträger würde leiden.

Besonders abhängig vom Schienentransport sind der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie und der Bergbau. „Sie produzieren ,just in time‘ und haben nicht genügend Kapazitäten, auf Lagerhaltung auszuweichen.“ Die Stahlindustrie gilt als größter Bahn-Kunde. Etwa die Hälfte der Kohle-, Erz-, Stahl- oder Schrotttransporte – rund 80 Millionen Tonnen im Jahr – läuft über die Bahn. Ein wichtiger Kunde ist daneben die Autoindustrie. Volkswagen etwa müsste mit einem Schaden in Millionenhöhe rechnen. Ähnliches gilt für Porsche. Die Karosserie für den Geländewagen Cayenne bezieht das Werk Leipzig etwa aus dem VW-Werk in Bratislava. Die Autos aus Leipzig sowie die 911-Modelle, die für den Export bestimmt sind, werden per Bahn zur Verschiffung nach Bremen gebracht. Einem Porsche-Sprecher zufolge könnten diese Transporte aber auch auf die Straße verlagert werden. BMW transportiert jedes zweite Auto mit dem Zug.

Auch die Chemieindustrie fürchtet große Schäden bei einem Streik. Der BASF-Konzern, das größte Unternehmen der Branche, transportiert ein Drittel seiner Güter per Eisenbahn – allerdings meist über private Bahn-Konkurrenten.

Daneben fürchten auch die Häfen um ihr Geschäft. Hamburg und die bremischen Häfen setzten wie keine anderen in Europa auf die Schiene, erklärte Detthold Aden, der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Rund ein Drittel des Güterumschlags werde über die Bahn abtransportiert; bei Containertransporten über größere Entfernungen seien es sogar 70 Prozent. Die Bahn-Transporte könnten nicht kurzfristig durch Lkw oder Binnenschiffe ersetzt werden. Nach zwei bis drei Tagen wären die Häfen dicht.

Die Berliner Unternehmen sehen sich derweil nicht vom Streik betroffen. Siemens, größter industrieller Arbeitgeber der Stadt, betreibt seine Logistik allein mit Lastwagen und Schiffen, sagte eine Sprecherin. Auch das BMW-Motorradwerk in Spandau nutze die Bahn als Transportmittel derzeit nicht, hieß es im Konzern. Das Energieunternehmen Vattenfall erklärte, zur Versorgung der Kraftwerke in und um Berlin sei man nicht auf die Schiene angewiesen – entweder komme der Brennstoff per Gasleitung, oder das Kraftwerk stehe nahe einem Braunkohletagebau.

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