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Wirtschaft: Der Bau rutscht immer tiefer in die Krise

Branche rechnet mit einem Umsatzrückgang um 5,2 Prozent und dem Verlust von weiteren 80000 Arbeitsplätzen

Berlin (vis/brö). Die Situation der deutschen Bauwirtschaft ist weiterhin schlecht. „Wir befinden uns in einer wirklich katastrophalen Baumarktsituation“, sagte Ignaz Walter, Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) am Dienstag in Berlin. Die Umsätze im ersten Halbjahr haben sich wesentlich schlechter entwickelt als der Branchenverband noch zu Beginn des Jahres erwartet hatte. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2001 sind die Umsätze im Bauhauptgewerbe in Deutschland um sieben Prozent eingebrochen.

„Das werden wir nicht mehr aufholen können“, sagte Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des HDB. Für das Gesamtjahr 2002 rechnet der Verband nun mit einem Umsatzrückgang von 5,2 Prozent. Noch im Januar hatte Walter ein weitaus geringeres Umsatz-Minus von einem Prozent vorausgesagt. Zudem rechnet der Verband im laufenden Jahr mit 8000 Unternehmenspleiten und dem Verlust von noch einmal 80000 Arbeitsplätzen. Als Gründe für die schlechte Entwicklung nannte Knipper unter anderem die anhaltende Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft, die daraus resultierende Zurückhaltung gewerblicher Investoren und die Krise der öffentlichen Finanzen.

Eine Sonderkonjunktur für den Bau wegen der nun zu leistenden Aufbauarbeiten nach der Flutkatastrophe erwartet der Verband nicht. „Sie hilft uns ein bisschen, aber sie löst die Probleme nicht“, sagte Verbandspräsident Walter. Die Wiederaufbauarbeiten brächten der Bauwirtschaft keinen Aufschwung. Es werde lediglich einen regional und zeitlich begrenzten Effekt geben. „Aber die vorhandenen freien Kapazitäten werden mit Sicherheit nur zu Bruchteilen ausgelastet“, sagte Walter.

Die Bestandsaufnahme der Schäden nach dem Hochwasser seien zwar noch nicht abgeschlossen. Nach vorläufigen Zahlen geht der Verband von folgenden Größenordnungen aus: Schäden an den Schienenwegen 850 Millionen Euro, an den Straßen 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro, an den Wohngebäuden vier bis sechs Milliarden Euro (davon 80 Prozent Ausbaugewerbe) und ein bis zwei Milliarden Euro bei der Gas- und Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung. Hinzu kämen noch die Schäden an öffentlichen Gebäuden, Wirtschaftsbauten und Deichen. Insgesamt rechnet Walter mit einem gesamten Schadenvolumen von 30 Milliarden Euro, 15 Milliarden Euro davon allein in Sachsen.

Von der Politik fordert die Bauindustrie nun die schnelle, unbürokratische Beseitigung der Flutschäden und massive Investitionen in die Infrastruktur. Hauptgeschäftsführer Knipper appellierte an die Behörden in den betroffenen Ländern, den Wiederaufbau in den Hochwassergebieten jetzt nicht durch langwierige Planfeststellungsverfahren zu behindern. Stattdessen müssten etwa für den Neubau von Brücken vereinfachte Verfahren zugelassen werden.

Auch Walter betonte bei der Auftragsvergabe müsse schnell und unbürokratisch gehandelt werden, er warnte aber auch vor Betrügereien, Mauscheleien und Korruption. Doch dies sei leicht zu verhindern. Es müssten glasklare Verträge her, dann könne „nichts schief gehen“. Walter forderte die Bundesregierung zudem auf, in der Finanzierung der Infrastruktur neue Wege zu gehen. Es müsste verstärkt privates Kapital in Infrastrukturprojekte fließen. „In anderen Ländern ist das auch möglich, nur bei uns nicht“, sagte Walter. Er forderte Bund, Länder und Gemeinden auf, ihre Politik der Investitionszurückhaltung trotz der prekären Finanzlage aufzugeben. „Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass Infrastrukturinvestitionen künftig nicht allein aus Steuern beziehungsweise Krediten, sondern verstärkt über Nutzergebühren refinanziert werden."

Für die Zukunft forderte Hauptgeschäftsführer Knipper eine wirksame Vorsorge vor weiteren Flutschäden durch Investitionen in die Infrastruktur. So brauche Deutschland dringend ein groß angelegtes Deichbau-Programm. Als Beispiel für das bisherige Versagen der Politik nannte er den verspätet begonnenen Bau eines Deichs im Müglitz-Tal bei Glashütte in Sachsen, der überdies wegen Geldmangels bald wieder eingestellt worden sei. Das Hochwasser habe den halb fertigen Deich einfach weggespült und immense Schäden angerichtet.

Auch das Münchner Ifo-Institut beurteilt die Zukunft der Baubranche skeptisch. Im August sei das Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe „erneut überaus schlecht“ gewesen, schreiben die Forscher des Instituts in einer am Dienstag veröffentlichten Studie. Nur 57 Prozent der Maschinen und Produktionskapazitäten seien ausgelastet gewesen, ermittelte das Institut in einer Umfrage – zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres waren es noch 61 Prozent gewesen. Der Druck auf die Preise habe nur geringfügig abgenommen, in den kommenden Monaten erwarten die Unternehmer sogar stabile Preise. Vier von zehn Unternehmen der Branche planten im August den Münchner Ökonomen zufolge, weitere Mitarbeiter zu entlassen.

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