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Wirtschaft: Der Befreiungsschlag des Leo Kirch

BERLIN .Leo Kirch ist ein medienscheuer Mensch.

BERLIN .Leo Kirch ist ein medienscheuer Mensch.Nur ungern zeigt er sich in der Öffentlichkeit, die Spielregeln der Mediengesellschaft sind dem 72jährigen Filmhändler ein Greuel.Obwohl Kirch zu den ganz Großen im Mediengeschäft gehört, läßt sich der Franke nur ungern in die Karten schauen.Jetzt hat er sie aufgedeckt.Am Wochenende bestätigte der Medienmogul, was in der Gerüchteküche schon seit Wochen auf kleiner Flamme vor sich hin köchelte: Kirch macht mit anderen Mächtigen des Business gemeinsame Sache.

Die Solozeiten des Familienunternehmens neigen sich dem Ende zu.Zwar beteiligen sich der saudische Milliardär Prinz Al Walid und der italienische Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zunächst nur mit bescheidenen 3,2 Prozent an der Kirch Media, doch in drei Jahren soll die Kirch-Gesellschaft an die Börse gehen, und Berlusconis Fininvest bekommt dann die Option, ihren Anteil weiter zu erhöhen.Eine Mehrheit werden sich die neuen Partner trotzdem nicht zusammenkaufen können.Auch in Zukunft wird der große alte Mann des Mediengeschäfts die Zügel fest in der Hand halten.

Die Allianz zwischen dem Prinzen, dem schillernden Polit-Medienunternehmer und Leo Kirch kommt nicht von ungefähr.Das Dreigestirn ist bereits über eine andere Gesellschaft, die Mediasat, kapitalmäßig verflochten.Die Mediasat betreibt die drei größten italienischen TV-Sender Canale 5, Italia 1 und Retequattro und soll einer der Pfeiler für das nächste Großprojekt der Herren Kirch und Berlusconi werden: der Aufbau einer europäischen Fernsehallianz namens "European Television Network" (ETN), die neue Spielfilme und TV-Produktionen auf die Beine stellen soll, in der aber auch der Handel mit Fernsehrechten und die Vermarktung von Werbezeiten koordiniert werden sollen.Kirch bringt Filme und Serien ein und verschafft Berlusconi indirekt einen Anteil von knapp 15 Prozent am Fernsehsender SAT 1.Dafür überweist Mediasat 380,5 Mill.DM.Geld, das Kirch nur zu gut gebrauchen kann.

Denn obwohl Kohl-Freund Kirch in seiner Schatztruhe mehr als 15 000 Spielfilme und über 50 000 Stunden Fernsehunterhaltung vorrätig hält - darunter die Fernsehrechte für die Fußball-Weltmeisterschaft -, Beteiligungen an SAT 1 und dem Deutschen Sport-Fernsehen (DSF) sowie am Axel Springer Verlag sein Eigen nennt, hängen dunkle Wolken über dem Medienimperium.Denn das heißeste Pferd im Stall, das Bezahlfernsehen Pay-TV, ist bislang nur eine müde Märe.310 000 Menschen haben sich für Kirchs Pay-TV-Kanal DF 1 entschieden, nach Branchenschätzungen führt das zu einem Verlust von rund 1,8 Mrd.DM.Kein Wunder, daß Kirch seinen digitalen Haussender gern mit dem zweiten deutschen Pay-TV-Kanal, Premiere, zusammengelegt hätte.Der kann sich zwar über 1,7 Millionen zahlende Kunden freuen, soll aber seit seiner Gründung ebenfalls über eine Mrd.DM Miese gemacht haben.Doch im vergangenen Frühling schmetterte die EU-Kommission alle Fusionspläne ab.Denn neben Kirch (25 Prozent) ist auch Konkurrent Bertelsmann über seine Halbtochter CLT-Ufa mit 37,5 Prozent an dem Hamburger Abo-Sender beteiligt.Diese Verflechtung war nicht nur den europäischen Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge.Auch den deutschen Kartellwächtern behagte die Medienallianz nicht.Im Herbst legte das Bundeskartellamt nach.Die Notlösung, daß Kirch und Bertelsmann zumindest die Anteile des Dritten im Bunde, Canal Plus, übernehmen und ihre Beteiligung an Premiere auf jeweils 50 Prozent aufstocken, scheiterte an der deutschen Wettbewerbsaufsicht.Jetzt will Kirch alles.Bis auf fünf Prozent soll sich die CLT-Ufa von ihren Premiere-Anteilen trennen, heißt es.Das kostet Geld: "Mehr als 1,5 Mrd.DM" sei die Premiere-Beteiligung wert, heißt es in Luxemburg.In 14 Tagen soll der Vertrag unter Dach und Fach sein.Für die Bertelsmann-Tochter wäre das Pay-TV-Abenteuer damit vorerst beendet.Und das Kartellamt muß sich fragen lassen, ob es mit einem einzigen Monopolisten Kirch im Abo-Fernsehen wirklich besser fährt als mit dem Duopol Kirch/Bertelsmann.

Milliardenverluste im Pay-TV-Geschäft, Milliarden-Ablöse für Premiere und Milliarden-Schulden bei den Banken - Kirch braucht Kapital.Um das anzulocken, baute er Anfang des Jahres seinen Konzern um.Jetzt fließen die Millionen: 700 Mill.DM zahlen Al Walid und Berlusconi für die Anteile an Kirch Media.Hinzu kommen noch jene Millionen, die Mediasat überweist.Ein Großer fehlt noch im Spiel der Mächtigen: Rupert Murdoch.Der betreibt mit CLT-Ufa zwar den TV-Sender Vox, aber dennoch wollen Kirch und Co.dem Medienzaren die Tür nicht vor der Nase zuschlagen.Die neue europäische Fernsehallianz bleibe auch für Murdoch offen, hieß es am Montag.Dann wären alle Großen vereint.Ob das den Wettbewerbshütern schmeckt? HEIKE JAHBERG

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