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Wirtschaft: Der Berliner Entsorger startet mit einem neuen Werk in Zenica

Die Männer in ihren blauen Arbeits-Overalls stehen unter dem Wellblechdach als erwarteten sie auf dem Fußballplatz einen Freistoß. Andere sitzen abseits an den Fenstersims des Bürobungalows gelehnt, nicht gerade desinteressiert, aber doch signalisierend, dass sie an diesem Sonntagnachmittag endlich nach Hause zu ihren Familien wollen.

Die Männer in ihren blauen Arbeits-Overalls stehen unter dem Wellblechdach als erwarteten sie auf dem Fußballplatz einen Freistoß. Andere sitzen abseits an den Fenstersims des Bürobungalows gelehnt, nicht gerade desinteressiert, aber doch signalisierend, dass sie an diesem Sonntagnachmittag endlich nach Hause zu ihren Familien wollen. Und das, obwohl sie doch so gelobt wurden, die rund 60 Mitarbeiter von "Alba Zenica" in der gleichnamigen Kantonshauptstadt im Zentrum Bosniens. Obwohl sie doch ein Stück Geschichte schreiben, wie ihr Bürgermeister sagt. Und obwohl Alba-Vorstandsmitglied Axel Schweitzer dort vorn auf dem Redepodest schon ankündigt, dass das Berliner Müllentsorgungsunternehmen noch viel vor hat mit der Stadt, der Region, mit ganz Bosnien. Erst als dieser ihnen persönlich dankt, weicht die Anspannung auf den Gesichtern der neuen Arbeitnehmer, da lassen sie sich den Applaus gefallen und zum Büfett bitten.

Denn ein Startschuss soll sie sein, die Eröffnung des Entsorgungswerks in Zenica. Dreieinhalb Jahre nach Kriegsende und nur drei Monate nach der Unterzeichnung der entsprechenden Verträge mit der Stadt, hat Alba also offiziell Fuß gefasst in Bosnien. Das Unternehmen, in dem Alba 60 Prozent und zwei heimische Partner je 20 Prozent Gesellschafteranteile besitzen, ist das erste private Entsorgungsunternehmen im Land. "Hier wollen wir mit der Arbeit beginnen und schon bald in anderen bosnischen Städten anknüpfen", kündigt Axel Schweitzer in seiner Festrede an: "Wir sind bereit, in den nächsten Monaten 30 bis 40 Mill. DM zu investieren." Während Alba heute die Müllentsorgung, die Straßenreinigung und die Pflege von Grünanlagen übernommen hat, soll schon bald mit den Recycling-Programmen begonnen werden. Mülltrennung auf Bosnisch. "Nein es soll europäischen Standard haben", betont Schweitzer und legt gleich nach, was er darunter versteht: "Müll getrennt sammeln, sortieren und aufbereiten. Der Kreislauf soll sich im Land schließen." Doch bis dahin ist es ein langer Weg, zwölf bis 24 Monate, schätzt Schweitzer, aber Alba will in Bosnien darüber hinaus langen Atem zeigen. Der Vertrag mit der Stadt läuft über 20 Jahre. Vorerst.

In nur zwölf Wochen dagegen gelang dem Alba-Team in Zenica die Betriebsorganisation nach eigenen Vorstellungen zu verändern. Der heimische Betrieb, den Alba übernahm, führte einst 143 Angestellte, bei Alba sind es heute 70, die in Acht-Stunden-Arbeitstagen ein Pensum leisten, das nach sozialistischem Muster die 143 Arbeiter früher in drei Schichten nicht schafften. Das neue System soll nun Schule machen: In anderen Kantonsmetropolen wie Tuzla und Mostar im Nord- bzw. Südosten oder Bihac im Nordwesten stellt Alba schon heute, ohne vertragliche Übereinkunft und ohne Förderzuschüsse Entsorgungsfahrzeuge zur Verfügung.

Berlins Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) ist von so viel Engagement beim Aufbau des vom Krieg (1992-1995) zerstörten Landes beeindruckt. Und stolz seien er und die Berliner, meint er. Dann legt er sich ins Zeug, klettert glatt an das Lenkrad eines Alba-Müllwagens und setzt das Fahrzeug vor den Kameras der Berliner Pressevertreter zehn Meter vor und zurück. Denn ein bisschen Wahlkampf für Berlin darf schon sein, und deshalb fuhr Branoner flugs mit nach Zenica und brachte den Bosniern deutsche Wirtschaftspolitik nahe: "Arbeitsplätze können nicht Politiker, sondern nur Unternehmer schaffen." Und als guten Rat fügt er hinzu: "Seien Sie Unternehmer, nicht Unterlasser." Nur allzu gern legt sich diese Aufforderung der Gouverneur von Zenica, Salcinovic, zurecht: "Deutschland muss zu seiner Rolle als Geschäftspartner Nummer eins für Bosnien zurückkehren", sagt er bedächtig: "Wir erwarten das."

Claudia Lepping

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