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Jochen Homann

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Chef der Bundesnetzagentur im Interview: "Wir wollen den Wettbewerb auf der Schiene"

Jochen Homann über die Streiks der GDL, den digitalen Ausbau in Deutschland, die Widerstände gegen neue Stromtrassen im Land und den Kampf seiner Behörde gegen unseriöse Gewinnspielfirmen. "Was diesen Bereich angeht, herrscht bei uns eine Robin-Hood-Mentalität", sagt der Behördenchef.

Herr Homann, die Lokführer bestreiken die Bahn und Deutschland steht still. Was sagt das über den Wettbewerb auf der Schiene aus?

Der Streik der Lokführer zeigt eindeutig, wie wichtig es ist, dass Verkehrsleistungen nicht nur von einem Unternehmen erbracht werden. Gerade im Güter- und im Personennahverkehr steigt die Zahl der Wettbewerber kontinuierlich an. Im Fernverkehr ist mehr Wettbewerb wünschenswert.

Hat Ihre Regulierung versagt, wenn die Fahrgäste immer noch wie früher auf die Bahn angewiesen sind und nicht umsteigen können?

Nein. Die Regulierung hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auch andere Unternehmen als die Bahn das Schienennetz diskriminierungsfrei nutzen können. Wir sichern dieses Zugangsrecht. Ob das Recht in Anspruch genommen wird, liegt in der Entscheidung der einzelnen Unternehmen.

Die Bahn bekommt Konkurrenz von den Fernbussen. Reicht Ihnen das?

Nein, wir wollen auch den Wettbewerb auf der Schiene. Die Konkurrenz zwischen Bahn und Bus führt natürlich zu einer Angebotsvielfalt für den Reisenden. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch fairer Wettbewerb zwischen Bus und Bahn.

Auch ein anderer Ex-Monopolist ist gut im Geschäft, die Post. Die Post macht Milliardengewinne, dennoch erhöht sie wieder das Porto für die Briefe. Warum lassen Sie das zu?

Die Porti werden in einem komplexen Verfahren unter Berücksichtigung der für diese Briefdienstleistungen entstehenden Kosten genehmigt. Es gibt einen Korb für verschiedene Dienstleistungen, in dem nicht nur der Standardbrief enthalten ist, sondern auch Postkarten, Kompaktbriefe und einige mehr. Für diesen gesamten Korb darf die Post die Preise erhöhen, aber insgesamt unter der Inflationsrate bleiben. Dieses Fenster hat die Post jetzt genutzt. Sie hat die Preise für Standardbriefe erhöht, dafür aber das Porto für Kompaktbriefe gesenkt. Unterm Strich hat die Post den zulässigen Rahmen eingehalten. Aber die Post muss das natürlich vor ihren Kunden verantworten.

Die Kunden könnten statt Briefen Mails schreiben.

Das tun sie ja. Der zunehmende elektronische Schriftverkehr trägt dazu bei,  dass die Stückkosten bei den Briefen tendenziell steigen. Auch das haben wir berücksichtigt, als wir den Spielraum für Portoerhöhungen festgelegt haben.

Ein Teufelskreis.

Im Prinzip ja.

Schnelles Internet für jedes Dorf?

Apropos Mails. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2018 das schnelle Internet in jedes Kaff bringen. Ist das realistisch?

Das ist ein ehrgeiziges Ziel, für das man Geld in die Hand nehmen und verschiedene Technologien ausbauen muss. Dabei geht es um die digitale Dividende II, also die Versteigerung von zusätzlichen Frequenzen, die dann für den Ausbau genutzt werden können. Und um die Frage, welche öffentlichen Mittel in den Netzausbau gesteckt werden. Wir sind aber auf dem Weg.

Die Bundesnetzagentur ist für die digitale Dividende und die Versteigerung der Frequenzen zuständig. Wann werden Sie das tun?

Wenn alles planmäßig läuft, im ersten Halbjahr 2015. Wir sind startbereit. Aber wir warten noch auf grünes Licht von der Politik. Bund und Länder müssen sich noch darüber einigen, wie die Erlöse aus der Versteigerung verteilt werden sollen.

Die Frequenzen, die für den Internetausbau verwendet werden sollen, nutzen derzeit Theater und das Fernsehen. Haben Sie genug Ausweichfrequenzen?

Ja. Im Bereich des Fernsehens haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Anbieter durch die Verwendung des neuen DVB-T2 Standards zukünftig genügend Frequenzen zur Verfügung. Soweit in Theatern, anderen Einrichtungen oder Veranstaltungen die betreffenden Frequenzen für drahtlose Mikrofone genutzt werden, stehen auch hier genügend Ausweichfrequenzen zur Verfügung.

Brauchen die Zuschauer neue Receiver?

Ja, die Zuschauer werden neue Receiver benötigen. Da nicht nur das Übertragungsverfahren auf den neuen DVB-T2 Standards geändert wird, sondern auch das Darstellungsformat für die Fernsehinhalte modernisiert wird.  Für die Zuschauer wird dadurch eine  höhere Qualität und Vielfalt beim Empfang bis hin zu hoch auflösendem Fernsehen ermöglicht.

Wie lange Zeit haben die Kunden für den Austausch?

Die Einführung von DVB-T2 ist für Juni 2016 geplant. Es erfolgt allerdings kein schlagartiger Umstieg, sondern eine Umstellungsphase mit einem Weiterbetrieb von DVB-T, die je nach Region zwischen 2017 und spätestens 2019  enden wird.

Wie viel wird die Versteigerung dem Staat bringen?

Ich denke, mehr als eine Milliarde Euro. Das auf jeden Fall. Aber wie viel am Ende wirklich herauskommt, kann heute noch niemand sagen.

"Wir sind die Guten, die den Verbraucher schützen"

Seit einigen Jahren gibt es härtere Gesetze gegen unseriöse Geschäftemacher, die Kunden am Telefon Gewinnspiele andrehen. Kunden können sich bei Ihnen beschweren. Tun sie das?

Ja, aber es gäbe noch viel mehr Beschwerden, wenn wir nicht so entschlossen vorgehen würden. In der Öffentlichkeit gelten wir vielleicht manchmal als die bösen Regulierer, die die Unternehmen quälen, aber in Wirklichkeit sind wir die Guten, die den Verbraucher schützen. Telefonwerbung, die Mitnahme von Telefonnummern beim Anbieterwechsel, Verbraucherservice im Energie- und Postbereich – das sind alles unsere Themen.

Und wie erfolgreich sind Sie da? Haben Sie die Gewinnspiele eindämmen können?

Wir haben einige Möglichkeiten, wenn telefonisch für Gewinnspiele ohne entsprechende Einwilligung der Verbraucher geworben wird. Wir können Bußgelder verhängen und sogar Hausdurchsuchungen machen. Daneben können insbesondere Rufnummern abgeschaltet und Geschäftsmodelle untersagt werden. Das Bekämpfen von Missbrauch ist nicht auf Gewinnspiele beschränkt. Schwarze Schafe finden immer eine neue Masche. Aber ich kann Ihnen sagen, was diesen Bereich angeht, herrscht bei uns eine Robin-Hood-Mentalität. Meine Kollegen nehmen solche Verstöße sehr ernst und sind da sehr hinterher.

Provider haben in der Vergangenheit oft Datenvolumen versprochen, das sie nicht gehalten haben.

 

Dazu hat die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit umfangreiche Studien durchgeführt. Wir wollen zukünftig im Internet ein Tool zur Verfügung stellen, wo jeder für sich messen kann, ob das, was in seinem Vertrag versprochen wird, erreicht werden kann. Oft ist das nämlich nicht der Fall. So ein Tool ist hilfreich, um Transparenz zu schaffen. Um die Transparenz zu erhöhen, wird es zudem künftig ein Produktinformationsblatt geben, in dem die Bürger auf einen Blick nachlesen können, was sie wirklich bekommen. Wir arbeiten an einer entsprechenden Transparenzverordnung, die den Kunden deutlich machen soll, was in den Geschäftsbedingungen wirklich drinsteht und welche Leistung sie bekommen.

Wollen Sie weiterhin Zwangsrouter erlauben?

Nein. Zwangsrouter lehnt die Bundesnetzagentur ab. Wir sind für freie Router, wo immer dies möglich ist. Der Kunde soll die Wahl haben.

"Der Strompreis wird nicht sinken"

Beim Internet gibt es zahlreiche Anbieter, auf dem Strommarkt auch. Dennoch hat sich der Strompreis in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Warum ist das so?

Über die Hälfte des Strompreises entfällt inzwischen auf staatliche Abgaben und Steuern. Zwar ist der Strompreis an der Börse gesunken, dafür sind die Abgaben gestiegen.

Wird die Reform der Ökostromförderung dafür sorgen, dass die Verbraucher endlich einmal weniger zahlen müssen?

So mutig wäre ich nicht. Die EEG-Umlage ist leicht gesunken, dafür werden die Netzentgelte steigen. Auch die Tatsache, dass Netze fehlen, treibt die Kosten in die Höhe, weil man Kraftwerke herauf- und herunterfahren muss, um Engpässe auszugleichen. Ich glaube nicht, dass die Strompreise sinken, aber zumindest ist die Dynamik der Preisanstiege gebrochen.

Gegen den Netzausbau gibt es jede Menge Widerstände, auch aus Bayern. Ministerpräsident Horst Seehofer blockiert den Ausbau in Franken. Ist das das Ende der Energiewende?

Nein. Die Energiewende kann nur Erfolg haben, wenn die Infrastruktur ausgebaut wird. Man kann über Trassen diskutieren, aber nicht über das grundsätzliche Prinzip: Wir müssen eine Möglichkeit finden, den Wind- und anderen Ökostrom vom Norden, wo er produziert wird, in den Süden zu bringen, wo er gebraucht wird. Wir von der Bundesnetzagentur sind ständig vor Ort, sprechen mit den Bürgern und versuchen ihnen, das zu erklären. Wir haben Engpässe, die wir derzeit überbrücken, indem wir Strom über Polen oder Tschechien nach Bayern leiten oder indem wir – für viel Geld – Kraftwerke im Norden herunterfahren  und der nötige Strom dann zu hohen Preisen bei teureren Kraftwerken im Süden oder gar in Österreich und Italien eingekauft wird. Das kann doch nicht die Zukunft sein!

Trotzdem möchte keiner eine Stromleitung über seinem Haus haben!

Es werden keine neuen Stromleitungen über Häusern gebaut. Trotzdem ist es so, dass die Begeisterung abnimmt, wenn man den Mast vor Augen hat. Wir reden mit den Betroffenen und den Bürgermeistern und fordern sie auf, mit den Nachbargemeinden gemeinsam Vorschläge für den Verlauf zu entwickeln. Meist bekommen wir aber einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss, dass die geplante Trasse auf Ablehnung stößt. Und wenn man dann einen anderen Verlauf vorschlägt, schickt die nächste Gemeinde einen ablehnenden einstimmigen Beschluss. 

Haben sich denn Gemeinden überhaupt schon mal geeinigt?

Ja, wir bekommen mit, dass sich manche Gemeinden zusammentun und gemeinsam mit ihrer Regionalkenntnis konstruktiv nach möglichen Trassenverläufen suchen.

Es ist noch kein einziger Kilometer der neuen Strom-Autobahnen gebaut

2600 neue Stromautobahn-Kilometer sollen gebaut werden, ist denn zumindest einer schon fertig?

Nein, aber wir bearbeiten jetzt den ersten Antrag. Da geht es um eine Leitung von Mecklenburg-Vorpommern nach Brandenburg. Gleichzeitig sind die Anträge für das so genannte Ultranet im Südwesten und den so genannten SuedLink in der Mitte Deutschlands angekündigt.

Die Energieproduzenten wollen sich von vielen ihrer Gaskraftwerke trennen, die jetzt noch gebraucht werden, um Engpässe zu überbrücken.

Ja, diese Kraftwerke schreiben rote Zahlen.  Die Unternehmen wollen aktuell 48 Kraftwerksblöcke  stilllegen. Davon sind etwa die Hälfte Kohle- und Öl-Kapazitäten und die andere Hälfte alte Gaskapazitäten. Die Netzbetreiber und wir prüfen, ob die Blöcke systemrelevant sind und deshalb am Netz bleiben müssen. Bei neun haben wir die Stilllegung deshalb abgelehnt, bei zweien wird noch geprüft. Es ist eine schwierige Entscheidung, weil wir jetzt abschätzen müssen, wie viele Kapazitäten in den kommenden Wintern mit dem Voranschreiten der Abschaltungen von Atomkraftwerken nötig sind.

Umweltministerin Hendricks will aus Gründen des Umweltschutzes keine fossilen Kraftwerke mehr. Wie sehen Sie das?

 

Sollte der Ausstieg aus der Kohle forciert werden, muss man sich überlegen, woher der Strom  dann kommt. Das könnten Gaskraftwerke sein, die sind sauberer, was den CO2-Ausstoß angeht, aber die sind auch deutlich teurer. Das könnte den Strompreis zusätzlich in die Höhe treiben. Aber wir haben in Europa einen offenen Markt. Ich glaube daher eher, dass dann Kohlestrom aus Polen oder Atomstrom aus Tschechien kommt. Man muss sich genau überlegen, ob mit einem administrativ verordneten Ausstieg aus der Kohle wirklich der erwünschte Effekt verbunden ist.

Viele Versicherer möchten Geld in Stromnetze investieren. Macht das den Strom teurer, weil die Investoren eine vernünftige Rendite sehen wollen?

Nein, die Bundesnetzagentur reguliert den Monopolbereich Netz. Für alle Netzbetreiber gelten dieselben Regulierungsvorschriften, Effizienzanforderungen, Verzinsungsvorgaben. Für die Versicherer ist eine Investition in die Netze interessant, weil sie eine risikoarme Rendite bekommen, aber für den Verbraucher macht es dabei keinen Unterschied wer Eigentümer des Netzes ist.

Jochen Homann, Jahrgang 1953, ist seit dem 1. März 2012 Präsident der Bundesnetzagentur. Er kommt aus dem Bundeswirtschaftsministerium, wo er nach einem jahrelangen Aufstieg zuletzt beamteter Staatssekretär war. Dieses Amt hatte der Diplom- Volkswirt – unter verschiedenen Ministern – vier Jahr lang inne. Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn mit Sitz in Bonn soll Wettbewerb schaffen, indem sie Unternehmen den Zugang zu den Netzen sichert. Im Energiebereich ist sie zusätzlich für den Ausbau der Netze zuständig.

 

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