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Über den Kunden. Mit ihrem Start-up Housy wollen Raymond Naseem (l.) und Sebastian Melchert den Berliner Mietmarkt umkrempeln.

© Thilo Rückeis

Der digitale Mieter: Start-ups setzen auf das Bestellerprinzip

Makler bekommen neue Konkurrenz. Junge Unternehmer setzen mit Plattformen auf gute Geschäfte rund um den Wohnungsmarkt.

Ab 1. Juni zahlt, wer den Makler bestellt. Und das ist in der Regel der Vermieter. Nach Umfragen rechnen mehr als drei Viertel aller Makler mit Umsatzeinbußen, jeder vierte sieht gar seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Während die Wohnungsvermittler noch an Lösungen tüfteln, bringt sich die Konkurrenz in Stellung: In den letzten Wochen und Monaten haben sich etliche Start-ups gegründet, die mit dem Mieten und Vermieten Geschäfte machen wollen. „Das Bestellerprinzip ist eine Chance für uns“, sagt Andre Torkler, Gründer und Geschäftsführer von WunderAgent.

Dabei erfinden die jungen Unternehmen aus Berlin und anderswo das Rad nicht komplett neu. Auch die Firmen mit dem coolen Image und den modernen Namen wie Housy, Faceyourbase, Smmove oder Immodelfin vermarkten Immobilien, vermitteln zwischen Vermietern und Mietern, teilweise nennen sie sich sogar Makler. Aber sie wollen es besser machen: digital und günstiger. „Makler-Services sind bislang zu teuer“, sagt Torkler. Eine Wohnung in einer guten Lage sei schließlich innerhalb weniger Stunden vermietet. Zwei Nettokaltmieten als Provision erscheinen ihm dafür zu viel.

Günstiger ist nicht genug

Die jungen Wilden der Wohnungswirtschaft wollen den Markt also mit Kampfpreisen aufrollen. Marktforschern zufolge will die Mehrheit der Vermieter auch künftig mit Maklern zusammenarbeiten. „Nur suchen sie sich dann den günstigsten“, sagt Torkler. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch der Berliner Verband Haus und Grund. Falls Immobilieneigentümer einen Makler beauftragen, werde die Courtage zur Verhandlungssache. „Die Provision wird deutlich unter den jetzigen zwei Monatskaltmieten liegen“, sagt Dieter Blümmel von Haus und Grund.

Günstiger sein allein dürfte aber nicht ausreichen, will man dauerhaft auf dem Markt bestehen. Denn je mehr Start-ups mit diesem Geschäftsmodell punkten wollen, desto mehr Konkurrenz machen sie sich untereinander, und desto größter ist die Herausforderung, auch die neuen Herausforderer zu unterbieten. Das lässt sich bereits jetzt gut beobachten. So verspricht die Berliner Auktionsplattform Smmove, Hauseigentümer und -verwaltungen würden im Vergleich zu herkömmlichen Vermarktungswegen bis zu 75 Prozent sparen. WunderAgent wirbt mit 79 Prozent Kostenersparnis gegenüber der klassischen Maklerprovision. Mindestens 79 Prozent. Denn das Kostenmodell der Berliner ist modular: Der Kunde kann aus einem Leistungskatalog auswählen, welche Maklerdienste er in Anspruch nehmen möchte und welche nicht. Je nachdem, für welches "Vermarktungspaket" er sich entscheidet, zahlt er monatlich zwischen knapp fünf und 497 Euro.

Der Start ist verhalten

Auf Gebühren nach dem Baukastenprinzip setzt auch das junge Hamburger Immobilien-Vermarktungsportal Moovin: Für 199 Euro schaltet es im Auftrag des Kunden ein Inserat in den gängigen Immobilienportalen. Will dieser zusätzlich ein Exposé erstellt bekommen oder den „Besichtigungsservice“ nutzen, zahlt er jeweils 79 Euro extra.

Aber es geht noch günstiger, wie Housy zeigt. Über das Portal sucht „nicht der Mieter die richtige Wohnung“, sagt Gründer Raymond Naseem, „sondern der Hauseigentümer den passenden Mieter“. Das Start-up bietet die Wohnungsvermittlung kostenlos an. Allerdings, schränkt Naseem ein, wird dieses Modell nur so lange gültig sein, bis eine kritische Masse an Objekten erreicht ist. Anschließend müssen die Vermieter zahlen. „Wir wollen schnell groß werden“, erklärt Naseem die anfängliche Großzügigkeit.

8000 Inserate im ganzen Land

Eine Kampfansage an die Mitbewerber, die sich Housy nach eigenen Angaben erlauben kann, weil Finanzinvestoren ausreichend Kapital bereitstellen. Eine zweite Finanzierungsrunde ist gerade im Gang. Die Macher stecken noch in Verhandlungen mit den Wohnungsbaugenossenschaften. Daher wird das Angebot frühestens Mitte Juli zur Verfügung stehen.

Die Webseite von WunderAgent ist seit Ende April funktionsfähig, der „Testballon“ wurde mit fünf Hausverwaltungen und insgesamt 50 Immobilien in mehreren deutschen Städten, darunter Berlin, gestartet. Richtig losgehen soll es deutschlandweit am 1. Juni. Auch Smmove ist im April online gegangen, mit immerhin 8000 Wohnungsinseraten in ganz Deutschland. In Berlin, sagt Geschäftsführer Alexander Kanellopulos, sei man zwar erst mit rund 50 Wohnungen vertreten. Ab Juni würden es aber bedeutend mehr sein.

Wohnung finden, bevor sie inseriert ist

Wie gut die digitalen Wohnungsvermarkter angenommen werden, wird auch davon abhängen, ob die Leistungen so gut sind wie die Unternehmer versprechen. WunderAgent oder Moovin etwa schalten Anzeigen auf den bekannten Marktplätzen wie Immobilienscout oder Ebay. Housy dagegen hält „exklusive“ Wohnungsangebote bereit, das sind solche, die auf keinem anderen Portal zu finden sind. Smmove setzt indes auf das Prinzip Versteigerung: Der Mietinteressent sichert sich seine begehrte Wohnung durch Abgabe des Höchstgebotes.

Ganz anders ist das Geschäftsmodell von Wunsch-Wohnviertel: Auf dem von Nick Owe Hanke gegründeten Portal erhalten Wohnungssuchende gegen eine Gebühr Telefonnummern von Hausverwaltungen, die im gewünschten Bezirk Objekte unterhalten. Vorteil: Der Interessent entdeckt Wohnungen, bevor sie inseriert werden.

Sabine Hölper

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