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Wirtschaft: Der Druck auf Verdi wird größer

Nach dem Scheitern in Stuttgart soll der Streik ausgeweitet werden / Lob für Hamburger Einigung

Berlin - Nach dem Scheitern der Verhandlungen in Baden-Württemberg ist ein Ende des Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will den Streik ausdehnen und kündigte für den kommenden Montag eine Großkundgebung in Stuttgart an. Ob und inwieweit Verdi den Arbeitskampf verschärfen kann, ist indes offen. Jedenfalls sind derzeit keine weiteren Urabstimmungen über Streiks im Gange. Nach Angaben der Gewerkschaft beteiligten sich am Donnerstag 30 000 Verdi- Mitglieder in zehn Bundesländern am Streik. In Baden-Württemberg hieß es, nun würden auch vermehrt Theater, Sozialeinrichtungen wie Kitas und weitere Straßenmeistereien in den Streik einbezogen.

Am Mittwochabend waren die Verhandlungen zwischen Verdi und den kommunalen Arbeitgebern in Baden-Württemberg nach dreitägigen Bemühungen um einen Kompromiss abgebrochen worden. Die Arbeitgeber hatten zuletzt eine differenzierte Arbeitszeit angeboten, die auf eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 39,7 Stunden hinausgelaufen wäre. Verdi versucht mit dem seit knapp vier Wochen laufenden Streik, die Arbeitszeit bei 38,5 Stunden zu halten. Die baden-württembergische Verdi-Chefin Sybille Stamm kritisierte die Arbeitgeber als „dogmatisch und borniert“. Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD), Verhandlungsführer der Arbeitgeber, kritisierte seinerseits den Arbeitskampf. „Das Leben in den Städten verträgt keinen Tag länger Streik“, sagte Widder und forderte Verdi auf, „rasch wieder an den Verhandlungstisch“ zu kommen.

Bevor am Abend in Stuttgart die Verhandlungen geplatzt waren, hatte es in Hamburg eine Einigung gegeben. Dort verständigten sich kommunale Arbeitgeber und Verdi für rund 20 000 Beschäftigte auf differenzierte Arbeitszeiten zwischen 38 und 40 Stunden. Grob gesagt arbeiten künftig Jüngere und Besserverdienende länger als Ältere und Arbeitnehmer mit Kindern.

Wenn es ein Kind unter zwölf Jahren gibt, dann reduziert sich die Arbeitszeit um eine halbe Stunde. Das bewertete die frühere Familienministerin Renate Schmidt (SPD) als „einen „Meilenstein in der Geschichte der Tarifpolitik“. „Mit diesem wegweisenden Abschluss legt zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Tarifvertrag fest, dass diejenigen, die sich um Kinder kümmern, bei gleicher Entlohnung geringere Arbeitszeiten haben als andere Beschäftigte“, sagte Schmidt dem Tagesspiegel. Sie hoffe, dass dieser Abschluss Schule mache.

Nach Angaben des Tarifexperten Reinhard Bispinck gibt es bislang nur tarifliche Arbeitszeitdifferenzierungen nach Lebensalter. So etwa im Kfz-Gewerbe Baden-Württembergs und in der chemischen Industrie. Wer in der Chemie das 57. Lebensjahr vollendet hat, der arbeitet 2,5 Stunden weniger als die jüngeren Kollegen.

Für Bispinck, der in der gewerkschaftseigenen Böckler-Stiftung das Tarifarchiv leitet, hat Verdi keine andere Wahl, als mit dem Arbeitskampf die Verlängerung der Arbeitszeit zu verhindern. „Die Arbeitgeber suchen eine grundsätzliche Entscheidung und wollen Verdi vorführen“, sagte Bispinck auf Anfrage. Der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), bekräftigte seine Position. „Wir werden bei der Arbeitszeit und bei der Sonderzahlung nicht nachgeben“, sagte Möllring der deutschen Presseagentur. mit hmt

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