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Wirtschaft: Der eitle Zank der Kernspin-Doctors

Der Medizin-Nobelpreis provoziert Streit zwischen den Preisträgern und einem geschäftstüchtigen Forscher, der leer ausging

Raymond Damadian ist „die egoistischste Person, die ich kenne“, sagt eine alte Freundin. Manch einer behauptet, das habe den Wissenschaftler um die ultimative Bestärkung seines Egos gebracht: den Nobelpreis für Medizin.

Damadian protestierte in Zeitungsanzeigen gegen die Vergabe des diesjährigen Medizin-Nobelpreises an Peter Mansfield und Paul Lauterbur. Die Juroren hätten einen „schändlichen Fehler“ begangen, heißt es in der „Washington Post“ und der „New York Times“. Der Preis ging an zwei Wissenschaftler für ihre Forschungen zur Kernspin-Tomographie. Die Idee, behauptet Damadian, stamme aber ursprünglich von ihm.

Der Streit um die Preisvergabe ist fast so alt wie der Nobelpreis selbst. Häufig geht es in den Zwistigkeiten darum, wem die Ehre für eine Entdeckung gebührt. Als im Jahr 2000 der Preis für medizinische Forschung an drei Wissenschaftler für ihre Erforschung der Gehirn-Nervenzellen ging, unterzeichneten mehr als 200 Neurologen ein Protestschreiben. Ein vierter Wissenschaftler verdiene den Preis, hieß es darin.

Der diesjährige Streit um den Medizin-Nobelpreis verläuft aus zwei Gründen anders als sonst: Damadian rührt unablässig die Werbetrommel in eigener Sache und ist ein wohlhabender Geschäftsmann – dank einer Gerichtsentscheidung, die einen Patentstreit zu seinen Gunsten entschied. „Wenn irgendjemand den Nobelpreis verdient, dann ich“, sagte Damadian. „Wenn Selbstverteidigung egozentrisch ist, dann bekenne ich mich dieses Vergehens für schuldig.“

Dass wohlhabende Geschäftsmänner mit gesundem Ego den Nobelpreis einfordern, wird wahrscheinlich in den kommenden Jahren häufiger passieren. Immer mehr US-Akademiker gründen ihr eigenes Unternehmen. Bestes Beispiel dafür ist der US-Biochemiker J. Craig Venter, der schon öfter für den Preis vorgeschlagen wurde. Venter arbeitete früher bei den National Institutes of Health (NIH) in den USA, kündigte dann aber und leitete bei der Firma Celera Genomics das Genomprojekt und versuchte, als Konkurrent mit den NIH-Wissenschaftlern das menschliche Genom zu entschlüsseln.

In der Zeitschrift „Science“ erklärte Damadian 1971 als Erster, wie durch magnetische Aufnahmen des Körpers festgestellt werden könnte, ob es sich um gesundes Gewebe oder ein Krebsgeschwür handle. Zwei Jahre darauf veröffentlichte Paul Lauterbur, einer der beiden diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger, einen Artikel, in dem er beschrieb, wie mit Hilfe magnetischer Felder zweidimensionale Bilder von Körpergewebe gemacht werden können.

Nach ihren großen Entdeckungen gingen die beiden Wissenschaftler verschiedene Wege. Lauterbur setzte seine akademische Laufbahn fort und landete an der University of Illinois, wo er weiter über abstrakte Dinge wie den chemischen Ursprung des Lebens forschte. Damadian kehrte dem akademischen Leben den Rücken zu. 1979 trat er von seinem Lehrstuhl auf Lebenszeit zurück und gründete ein eigenes Unternehmen namens Fonar, um seine Entdeckung zu vermarkten. Er hatte am Suny Downstate Medical Center gelehrt. Sein Unternehmen konnte sich auf dem Markt mehr schlecht als recht behaupten gegen die großen Medizingeräte-Konzerne, die Apparate für Kernspin-Tomographien herstellen. Damadian zog aber das große Los vor Gericht: Er konnte die Jury davon überzeugen, dass der gesamten Kernspin-Branche seine Entdeckung zugrunde liegt. Das schöne Ergebnis für Damadian: Sein Unternehmen erhielt in den 90er Jahren rund 128,7 Millionen Dollar allein von General Electric an Patentgebühren. Wie viel ihm andere Hersteller zahlten, wurde nie bekannt.

Seine Anhänger fragen sich, ob die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees mit Damadians Neigung, Prozesse zu führen und seinem Ruf als Egoist zu tun hatte. „Ich bin sicher, dass er sich Feinde gemacht hat“, sagt Valerie Parsegian, die ihn seit den 60er Jahren kennt. Aber sie verstehe sein Verhalten. „Er musste um die Anerkennung seiner Entdeckungen kämpfen“, sagt sie.

Offiziell sollen die Nobelpreise eine Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse sein. Die Preise „belohnen die Entdeckung und nicht die Person“, sagt Bo Angelin, Professor am schwedischen Karolinska Institute. Angelin leitete den Ausschuss, der die Medizin-Nobelpreisgewinner ermittelte. Er will die Vorwürfe von Damadian nicht kommentieren. Er sagt nur, dass in 50 Jahren die Überlegungen des Komitees verständlich seien. Erst dann sind die Beratungsprotokolle zugänglich.

Der „akademisch-industrielle Komplex“ finde an US-Universitäten immer mehr Akzeptanz, sagt Eugene Geigelson, Chef der Medical School beim Suny Downstate Medical Center. Er findet nicht, dass Menschen von Preisen ausgenommen werden sollten, die mit ihren Entdeckungen reich werden wollen. „Entscheidend sollte sein, worin die Entdeckung bestand und wer sie gemacht hat – und nicht, was später damit gemacht wurde“, sagt Feigelson.

Übersetzt und gekürzt von Christian Frobenius (Südkorea), Matthias Petermann (Schröder), Tina Specht (Call-Center) und Svenja Weidenfeld (Steuer).

Peter Landers

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