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Wirtschaft: Der Euro bleibt unter Druck

BERLIN (alf). Der Euro stand auch am Montag unter Druck.

BERLIN (alf). Der Euro stand auch am Montag unter Druck. Das Stocken der Kosovo-Gespräche trieb die Währung zeitweise auf den Tiefstand von 1,0265 Dollar. Danach konnte sich der Kurs ein wenig erholen, die Europäische Zentralbank stellte einen Referenzkurs von 1,0316 Dollar fest, nach 1,0315 Dollar am Freitag. In einer Umfrage des Tagesspiegels erklärten Wirtschaftswissenschaftler und Finanzpolitiker die Euro-Schwäche vor allem mit der robusten US-Konjunktur. Oppositionsvertreter kritisierten die Bundesregierung.

Der "Wirtschaftweise" Jürgen Kromphardt hat angesichts des schwachen Euro zu Gelassenheit geraten. Die Stärke des Dollars aufgrund der robusten US-Konjunktur sowie der Kosovo-Krieges sind nach seiner Einschätzung die Hauptfaktoren für die Euroschwäche. "Die wirtschaftspolitische Entwicklung in Deutschland mag vielleicht eine Rolle spielen", sagte das Mitglied des Sachverständigenrates gegebenüber dem Tagesspiegel, "aber sie ist nicht entscheidend". Dagegen hatte Kromphardts Kollege aus dem Rat der Weisen, Herbert Hax, in der "Welt" als Ursachen "überfällige Reformen des Steuersystems" genannt und die Regulierung auf dem Arbeitsmarkt kritisiert. Speziell Deutschland trete bei den Strukturreformen auf der Stelle. So könne man das Vertrauen der Anleger in den Euro-Raum nicht stärken.

Zu dem "Sündenfall Italien" - die EU-Finanzminister hatten den Italienern eine Erhöhung des Haushaltsdefizits von zwei auf 2,4 Prozent erlaubt - meinte Kromphardt, "makroökonomisch ist das gerechtfertigt, da das schwache Wachstum automatisch die Verschuldung erhöht". Das leicht erhöhte Defizit habe keinen direkten Einfluß auf die Inflation, die im Euroland nach wie vor vernachlässigbar sei. Allerdings, so Kromphardt, "ist es eine Tatsache, daß der Euro zur Schwäche tendiert"; die Italienentscheidung verstärke diese Tendenz, da die Finanzmärkte Auswirkungen auf die Preisstabilität befürchteten. Kromphardt zufolge dürfte die Talfahrt des Euro dennoch bald enden: Wenn die Anleger zu der Einschätzung kämen, daß es weiter abwärts geht, würden Anlagen in Dollar oder Franken gewählt, also aus dem Euro ausgestiegen. "Je weiter es aber nach unten geht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß Anleger reingehen, da sie auf einen steigenden Euro spekulieren", sagte Kromphardt.

Anders als Kromphardt kritisierte Klaus-Dieter Kühbacher, Präsident der Landeszentralbank in Berlin und Brandenburg, die Entscheidung der EU-Finanzminister im Fall Italien: "Das ist einfach falsch", sagte Kühbacher. Die Finanzminister der anderen Länder hätten sich wohl gedacht, sie könnten in eine ähnliche Situation kommen, und deshalb den Sündenfall erlaubt. In Bonn sieht er das allerdings nicht, da die Bundesregierung "ein Scheitern der Finanzpolitik fürchtet wie der Teufel das Weihwasser". Jetzt sei wichtig, daß Finanzminister Hans Eichel (SPD) eine Steuerreform vorlege, "die die nächsten fünf Jahre hält". Die Euroschwäche erklärt Kühbacher ähnlich wie Kromphardt, indem er von einer "Vertrauensdiskrepanz" spricht; in den USA laufe die Konjunktur besser als erwartet, in Europa schlechter. Desweiteren sei für die Märkte wichtig, "daß die USA mit einer Stimme reden, und zwar Wirtschaft, Regierung, und Notenbank". In Europa dagegen sei ein "vielstimmiger Chor" zu hören, der insbesondere Großanleger aus Nordamerika, Asien und den Ölstaaten abschrecke. Zur Zinspolitik der Europäischen Zentralbank meinte Kühbacher, "wir bleiben längerfristig auf diesem Niveau". Eine Zinserhöhung sei "überhaupt nicht zu sehen".

Die Bonner Oppositionsparteien kritisierten mit Blick auf die Euroschwäche die Politik der Bundesregierung. Hermann Otto Solms, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte auf Anfrage, in Deutschland "ist eine zukunftsorientierte Reformpolitik nicht erkennbar". Da die Bundesrepublik das wichtigste Land im Euro-Verbund sei, schlage sich die Bonner Politik im Euro-Kurs nieder. Deutschland und Frankreich zusammen betrachtet, schrecke "die traditionell sozialdemokratische Politik" in den beiden Ländern die Anleger ab. Eine Zinserhöhung der EZB sieht Solms in absehbarer Zeit aufgrund der schwachen Inflationsrate nicht. Dagegen meint der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser, "wenn das Vertrauen der Anleger in den Euro weiter so gering ist oder weiter abnimmt, muß mittelfristig sogar mit höheren Zinsen gerechnet werden". Faltlhauser warf in einer Mitteilung der Bundesregierung vor, sie habe "nicht begriffen, daß eine solide Finanz- und Wirtschaftspolitik eine notwendige Voraussetzung für einen starken Euro ist". Der Euro sei gegenüber dem Dollar so schwach, weil es Europa versäumt habe, "Güter- und Arbeitsmärkte strukturell zu reformieren". Die Beteuerung des Bundeskanzlers nach dem "unverzeihlichen Sündenfall Italien", so etwas werde nicht wieder vorkommen, "ist so glaubwürdig wie die Ankündigung, keine Steuern zu erhöhen", meinte der bayerische Finanzminister. Friedrich Merz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU, sagte auf Anfrage, "für die Innenstabilität des Euro sehe ich keine Gefahr, da es keine Inflation gibt". Doch das Verhältnis zum Dollar zeige "die ganze Schwäche der europäischen Volkswirtschaft". Dabei wirke insbesondere die Bundesrepublik "als Wachstumsbremse für ganz Europa". Der Kosovo-Konflikt sei "nur an dritter oder vierter Stelle" für die Währungsschwäche relevant. Entscheidend sei vielmehr, daß die Politik "Vertrauen schafft und vernünftige Gesetze macht". Nur so könne die Wirtschaft auf den Wachstumspfad einschwenken und ausländische Investoren anlocken, sagte der CDU-Politiker.

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