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Wirtschaft: Der Euro - so bedeutsam wie der Fall der Mauer

BRÜSSEL .Es gibt ihn - und es gibt ihn nicht.

BRÜSSEL .Es gibt ihn - und es gibt ihn nicht.Er wird am 1.Januar 1999 nicht verteilt, er ist nicht zu greifen, nicht zu fühlen, nicht zu riechen, er klingt noch nicht im Beutel, scheppert noch nicht im Automaten.Und doch gibt es den Euro, die gemeinsame Währung von vorerst 11 EU-Staaten.Allen Unkenrufen zum Trotz wird uns die Wende zum neuen Jahr tatsächlich in eine neue Ära des Geldes führen - Euro-Zeit in Euro-Land.

Denn die elektronische Existenz des Euro in den Computern der Banken ist immateriell, aber dennoch realer als die anfaßbaren Scheine, die frisch gedruckt, bunt, gebündelt, vieltausendfach in den Tiefen der Zentralbanktresore gebunkert werden.Während die Brötchen, das Bier, die Kinokarte noch mit der alten D-Mark beglichen werden, rechnen sich vom Stichtag 1.Januar 1999 an die wirklich wichtigen Summen in Euro.Der Verkehr der Banken wird in Euro abgewickelt.Mit dem Euro werden Rechnungen gestellt und beglichen, Konten geführt, Steuern berechnet, Soll und Haben verbucht, Schulden gemacht und Kredite vergegeben.D-Mark, Franc oder Gulden sind vom 1.Januar an nur noch die langsam absterbenden Untereinheiten der gemeinsamen Währung.

Für den Abschied von der D-Mark bleiben uns allerdings noch drei Jahre, in denen unsere Gehaltszettel, Kontoauszüge und Rechnungen zweisprachig werden: Im täglichen Leben können wir weiter mit der alten D-Mark zahlen, viele Gehaltskonten, Abrechnungen und Bilanzen aber lauten schon auf Euro.Erst vom 1.Januar 2002 an werden Europas Bürger der Euro-Begegnung der dritten Stufe entgegensehen können.Dann erst nämlich fängt die sechsmonatige Phase des Umtausches an, wenn sich zunächst in den Geldbörsen Euro und D-Mark mischen, am Ende aber die neuen Münzen und Scheine das altvertraute Geld ersetzen.

Die Übergangszeit sei "aus technischen Gründen" nötig, ließen die Finanzminister und Notenbankpräsidenten schon vor Jahren wissen.Schließlich müssen in den 11 Euro-Ländern rund sechs Mrd.Geldscheine gedruckt und allein in Deutschland 46 Mrd.Münzen geprägt werden.Ob für die mentale Anpassung der Bundesbürger an die neue Euro-Zeit die drei Jahre Übergang ausreichen, ist allerdings ungewiß.Denn in keinem der 11 Euro-Teilnehmerländer haben die Bürger ein so emotionales Verhältnis zu ihrer Währung, nirgendwo ist der Trennungsschmerz so heftig wie in Deutschland.Das mag am kollektiven Gedächtnis der Deutschen gelegen haben, am Inflationstrauma der 20er Jahre und an der Erfolgsgeschichte der D-Mark, aus der nach der Niederlage des Krieges ein Art nationale Ersatz-Identität geboren wurde.Inzwischen hat sich aber auch in der deutschen Bevölkerung die Stimmung verändert: Die Mehrheit beginnt sich wohl oder übel auf den Währungswechsel einzustellen.Wie kaum ein anderes Ereignis der jüngeren Geschichte markieren der Abschied von der D-Mark und der Beginn der Europäischen Währungsunion einen tiefen historischen Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte - durchaus vergleichbar mit dem Fall der Mauer und dem Ende des Kommunismus.

Die Wirtschafts- und Währungsunion folgt nämlich keineswegs nur der wirtschaftlichen Logik der europäischen Entwicklung.Sie ist von Anfang an stets vor allem ein politisches Projekt gewesen.Der Euro soll zum entscheidenden Impuls für die politische Einigung Europas werden.Er wird die Politik in die Pflicht nehmen und zur Gemeinsamkeit auch auf den anderen Feldern von Wirtschaft und Politik zwingen: Von der allgemeinen Wirtschaftspolitik über die Steuern bis zur Außenvertretung auf internationalem Parkett.Von der Dynamik der wirtschaftlichen und währungspolitischen Integration Europas wird der Funke, so die Hoffnung, auf die Politik überspringen.

Diese Methode ist nicht neu.Nach dem Scheitern der politischen Ambitionen in der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft setzten die Gründerväter der EU in den 50er Jahren ganz auf die Logik der wirtschaftlichen Verflechtung: Nach und nach sollte die Integration gleichsam als Selbstläufer auf immer neue Bereiche der Wirtschaft und der Politik übergreifen.Die Europäisierung der Grundstoffindustrie, die Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), bildete den natürlichen Anfang des Prozesses.Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Zollunion war der nächste Schritt.Die logische Fortsetzung war der EU-Binnenmarkt.Der gemeinsame Markt ist aber erst komplett, wenn er eine gemeinsame Währung hat.Die USA wären wohl kaum zur stärksten Wirtschaftsmacht geworden, wenn 14 unterschiedliche Währungen den großen Heimatmarkt zersplittert hätten.Mit einem großen heimatlichen Binnenmarkt von 371 Millionen Menschen und einer stabilen gemeinsamen Währung werden die Europäer jetzt im globalen Wettbewerb den Amerikanern als gleichwertige Partner entgegentreten können.Ohne die gemeinsame Währung würden die nationalen Regierungen immer mehr die Kontrolle über ihre Währungen und damit auch über ihre Wirtschaft verlieren.Denn immer mehr freies Kapital vagabundiert frei über den Globus - in der Hand von Spekulanten eine ständige Bedrohung für die Währungen in Europa.

Der Euro ist die strategische Antwort Europas auf diese Bedrohung.Er ist die Antwort auf die Globalisierung der Märkte, auf den zunehmenden weltweiten Wettbewerbsdruck und auf die Verlagerung von Arbeitsplätzen in ferne Weltregionen.Die gemeinsame europäische Währung soll nämlich nicht nur der politischen Einigung den entscheidenden Kick geben.Sie verbessert auch entscheidend die wirtschaftliche Ausgangslage Europas.Ein starke, stabile Euro-Währungszone kann Schutz vor den milliardenschweren Angriffen der Spekulanten bieten, Planungssicherheit schaffen und dauerhaftes Wirtschaftswachstum absichern.Daß dies keine leeren Hoffnungen zeigen die vergangenen Monate.Denn die Euro-11 standen bisher wie eine Insel der Stabilität in den Turbulenzen, die Rußland, Asien und Lateinamerika erschüttern.Schon vor seinem Start hat der Euro so seine erste Bewährungsprobe glänzend bestanden.Die EU konnte die Dividende ihrer strengen Stabilitätspolitik kassieren.

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