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Wirtschaft: Der Euro stärkt das europäische Bewußtsein

Noch vor einem Jahr hätte niemand darauf wetten mögen: Der Euro kommt, versprachen Politiker, versprachen Unternehmer.Richtig geglaubt haben es die wenigsten.

Noch vor einem Jahr hätte niemand darauf wetten mögen: Der Euro kommt, versprachen Politiker, versprachen Unternehmer.Richtig geglaubt haben es die wenigsten.Bis heute hält sich eine gesunde Skepsis in der Bevölkerung.Kein anderes Land verbindet mit dem nationalen Zahlungsmittel so viel wie die Deutschen mit ihrer D-Mark.Bis dato bleibt sie in den Augen der meisten Bundesbürger ein Synonym für Wohlstand und Ehrhards Wirtschaftswunder.Übrigens nicht nur im Westen.Auch im Osten der Republik, wo die D-Mark vielfach als Symbol der Freiheit gefeiert wurde, und die Sehnsucht dann so teuer bezahlt werden mußte, dominiert Zurückhaltung gegenüber dem Projekt.Ein Projekt, das nicht zuletzt auch so unerreichbar schien, weil es erstmals mit der Aufgabe nationaler Souveränitäten verbunden ist.Und doch: Der Euro kommt und - allmählich, die Meinungsforscher versichern es, steigt auch die Akzeptanz.Der innere Widerstand weicht einer pragmatischen Haltung.Die Meinungsführer aus Politik und Wirtschaft haben sich durchgesetzt - Referenden, Verfassungsklagen und billigen Parolen zum Trotz.Die politische Trennung, bilanziert der Schriftsteller Peter Schneider, ist überwunden.Die europäische Einheit findet statt - unter dem Zeichen des Euro.

Das gibt Defizite zu erkennen.Natürlich wird der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die elf Länder, die dem Euroclub auf Anhieb Anfang Januar zunächst beitreten, der Idee Europa nicht gerecht.Mit Geld und Märkten allein ist noch nicht alles gewonnen.Der Euro macht aus den Menschen über Nacht noch keine europäischen Staatsbürger.Dazu braucht es vor allem mehr Bewußtsein und mehr Selbstbewußtsein; kein zur Schau gestelltes technokratisches und finanztechnisches Gebaren."Das technokratische Europa," sagt der deutsche Publizist Konrad Adam treffend, "spricht kein Gefühl an, ruft nichts wach, macht nichts lebendig." Und ob sich der Euro - wie erhofft - tatsächlich als wirksamer Katalysator für eine politische Union entpuppt, ist angesichts der schier zahllosen Aufgaben, die sich im Kern zunächst um die künftige Finanzierung und den institutionellen Rahmen des Vereinten Europas drehen, mehr als fraglich.Nicht ohne Grund verfolgen Länder wie Dänemark, Großbritannien und Schweden als Mitglieder der Europäischen Union das Schauspiel Währungsunion zunächst abwartend von der Zuschauertribüne aus.

Aber immerhin hat das Projekt Euro doch auch einiges in der EU in Gang setzen können.Man mag den buchhalterischen Erfindungsreichtum, mit denen einzelne Nationen ihre Bilanzen auf Vordermann brachten, um so dem erlauchten Währungsclub doch noch beitreten zu können, zu recht kritisieren.Tatsache bleibt, daß sich in der Union nicht nur eine verblüffende Stabilitätskultur breit gemacht hat und die Währungsunion bezeichnenderweise mit auffällig niedrigen Geldmarktzinsen an den Start gehen kann.Die Finanzpolitiker legten zudem eine völlig ungewöhnliche Selbstdisziplin an den Tag; mit dem Erfolg, daß sich tatsächlich bisweilen ein gewisser Gleichklang, und zwar nicht nur in der Wirtschafts- sondern auch in der Finanzpolitik, erkennen läßt.

Die Voraussetzungen, die Maastricht-Kriterien, also sind erfüllt; das Projekt kann an den Start gehen.In weiser Voraussicht und mit Rücksichtnahme auf die mentalen Befindlichkeiten haben die Väter des Euro eine lange Zeit des Abschieds vorgesehen.Zwar kann von Neujahr an der komplette bargeldlose Verkehr in Euro abgewickelt werden.Unternehmen, Banken, wohl auch Verwaltungen und Privatpersonen werden davon regen Gebrauch machen.Doch in barer Münze - also mit Cent und Euro - wird man frühestens in drei Jahren zahlen können.So lange soll Zeit sein, sich an das neue Geld zu gewöhnen.Für Mark und Pfennig heißt das ein Ende auf Raten.

Im Kern geht es freilich um mehr als um den neuen Inhalt im Portemonnaie.Hinter der Aussage, daß die Währungsunion zum Erfolg verurteilt bleibt, verbirgt sich die Hoffnung, daß sich schon bald keiner mehr in der Union dem Euro entziehen kann.Mit einer starken, mit einer verläßlich stabilen Währung wollen die Europäer ihre Position in einer globalisierten Wirtschaftswelt ganz gezielt untermauern.Schon immer haben die Franzosen gerne von der Konkurrenz zum US-Dollar gesprochen.Tatsächlich kann Euroland wirtschaftlich den USA schon heute Paroli bieten.Keine Frage, nicht nur für Unternehmer werden die internationalen Geschäfte kalkulierbarer.Berechenbarer werden Deutschland und Europa auch für ihre politischen Partner."Die Währungsunion," sagt Nikolaus van der Pas, in der Brüsseler Kommission für die Erweiterungsverhandlungen zuständig, "ist ein Qualitätssprung.Die Union rückt den Menschen näher.Und: Europa wird in der Welt ernster genommen."

MARTINA OHM

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