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Wirtschaft: Der Euro wird immer teurer

Experten: Zentralbank lässt Zinsen dennoch stabil

Frankfurt am Main - Die Aussicht, dass Europa wirtschaftlich aufholt und der Zinsrückstand des Euroraums gegenüber den USA abnimmt, hat über das Wochenende den Eurokurs auf den höchsten Stand seit Mai 2005 getrieben. Am Montag kletterte der Euro zeitweise auf 1,2687 Dollar. Jürgen Michels, Ökonom der Citigroup, wertete dies als „Durchbruch des Euro nach oben“. Auch die Analysten der Schweizer UBS sehen den Euro nun in einem klaren Aufwärtstrend.

Der Euro schießt nach oben, weil in Europa die Erwartungen einer Zinserhöhung zunehmen – und in den USA sinken. Das hat damit zu tun, dass die europäischen Konjunkturdaten in den letzten Monaten fast durch die Bank positiv überraschten. Das setzt die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, ihren Leitzins, der mit 2,5 Prozent inflationsbereinigt kaum über Null liegt, anzuheben, um Inflationsgefahren vorzubeugen. Gleichzeitig hatte US-Notenbankchef Ben Bernanke vor wenigen Tagen eine Pause vor weiteren Zinserhöhungen angedeutet. Viele Volkswirte erwarten eine Abschwächung der US-Konjunktur im zweiten Halbjahr, einige sagen für 2007 bereits eine Leitzinssenkung voraus.

Die meisten Finanzinstitute hatten zwar eine Dollarabwertung erwartet, wurden aber von Tempo und Stärke überrascht. Nach einer Erhebung des „Handelsblatts“ bei fünf großen deutschen und neun internationalen Banken prognostizieren die meisten mittelfristig einen Anstieg des Eurokurses auf 1,30 bis 1,35 Dollar. Die Prognosen für die nächsten Monate liegen dagegen nach dem jüngsten kräftigen Kursanstieg häufig deutlich unter dem aktuellen Kurs. Es ist daher damit zu rechnen, dass die Kursziele in den nächsten Tagen auf breiter Front nach oben angepasst werden. „Die vorherrschenden Prognosen spiegeln die verbreitete Furcht vor einem regelrechten Dollarcrash nicht wirklich wieder“, meint John Llewellyn, wirtschaftspolitischer Berater der Investmentbank Lehman Brothers.

Am 21. April hatten die Notenbankchefs und Finanzminister der sieben größten Industrienationen erstmals die „globalen Ungleichgewichte“, eine Umschreibung für das hohe Außenhandelsdefizit der USA, als vordringliches Problem bezeichnet und damit die jüngste Dollar-Schwäche mitausgelöst. Eine Korrektur des Ungleichgewichts setzt nach vorherrschender Expertenmeinung eine Dollarabwertung voraus.

Anders als im Herbst 2004, als der Euro zum ersten Mal über 1,25 Dollar und Ende 2004 bis über 1,36 Dollar stieg, herrscht derzeit in der Industrie noch keine Alarmstimmung. Der Chefvolkswirt des Verbandes der Maschinen- und Anlagebauer (VDMA), Ralph Wiechers, sieht die hohe internationale Nachfrage nach Maschinen aus Deutschland als stärker an als die Last durch einen starken Euro. Zudem komme ein Großteil der Nachfrage nicht aus dem Dollarraum, sondern werde in Euro fakturiert. „Ein starker Euro wäre schlimmer bei einer schwachen Nachfrage, aber derzeit sind die Firmen gut ausgelastet“, sagte Wiechers. Zudem sichern sich stark exportabhängige Unternehmen gegen Währungsrisiken ab. So hat sich Porsche, das knapp 40 Prozent seiner Fahrzeuge in Nordamerika absetzt, für einen zweistelligen Millionenbetrag bis 2009 gegen Dollarkursschwankungen gewappnet.

Viele Ökonomen machen sich aber doch Sorgen, dass der Anstieg des Eurokurses zusammen mit anderen Belastungsfaktoren den Konjunkturaufschwung abwürgen könnten. Deshalb riet auf der jüngsten Sitzung des Expertengremiums EZB-Schattenrat eine knappe Mehrheit der Europäischen Zentralbank von einer Zinserhöhung am kommenden Donnerstag ab. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie den Euro übermäßig nach oben treibt“, warnte Michael Heise, Chefvolkswirt von Dresdner Bank und Allianz.

Zu den Belastungsfaktoren zählen die Experten neben der Euro-Aufwertung den stark gestiegenen Ölpreis und die kräftige Erhöhung der Mehrwertsteuer in Deutschland im kommenden Jahr. Am Donnerstag entscheidet die EZB über den Leitzins, der nach Ansicht einiger Ökonomen viel zu niedrig liegt. Notenbankchef Jean-Claude Trichet hatte aber bereits Anfang April gesagt, eine Zinserhöhung schon im Mai sei unwahrscheinlich. gil/mak/noh/rp/HB

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