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Wirtschaft: Der Fachkräftemangel gefährdet die Konkurrenzfähigkeit

Ein seltenes Bild: Die traditionell den Unionsparteien Nahe stehenden Wirtschaftsverbände stärken beim Thema Zuwanderung der SPD den Rücken. Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, wagte sich gar in die Höhle des Löwen.

Ein seltenes Bild: Die traditionell den Unionsparteien Nahe stehenden Wirtschaftsverbände stärken beim Thema Zuwanderung der SPD den Rücken. Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, wagte sich gar in die Höhle des Löwen. Im bayerischen Wildbad Kreuth machte er dem CSU-Vorstand seinen Standpunkt klar: Deutschland braucht Zuwanderung, um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu lindern.

Das Problem: Trotz der Konjunkturkrise fehlen den deutschen Unternehmen hoch qualifizierte Fachkräfte. Neben den IT-Fachleuten ist die Situation insbesondere bei den Ingenieuren kritisch. Nach einer Untersuchung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) suchten im Sommer 64 Prozent der Mitgliedsbetriebe Ingenieure. Die Unternehmen leiden noch immer unter den sinkenden Absolventenzahlen bei den technischen Studiengängen. Gleichzeitig steigt der Anteil hoch qualifizierter Arbeitnehmer an der Belegschaft. Um den Mangel an gut ausgebildeten Mitarbeitern zu lindern, ergreifen die Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen. Die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte ist dabei nur ein Teil.

In der Industrie wird der Mangel an Fachkräften durch den Strukturwandel begünstigt. "In der Investitionsgüterindustrie nimmt die Anzahl der gering qualifizierten Arbeitsplätze beständig ab. Dagegen werden mehr Forscher, Entwickler und Vertriebsingenieure gesucht", sagt Susanne Krebs, Bildungsexpertin des VDMA. Derzeit sei der Mangel an Ingenieuren zwar nicht mehr so eklatant. "Doch sobald die Konjunktur wieder anzieht, rechnen wir wieder mit einer Verschärfung des Problems."

Von den Hochschulen kommen in den kommenden Jahren nur wenige Nachwuchskräfte. In diesem und im nächsten Jahr werden nur rund 18 000 Absolventen ingenieurswissenschaftlicher Studiengänge die Hochschulen verlassen. Mitte der 90er Jahre waren es jährlich rund 34 000. Linderung ist erst in einigen Jahren in Sicht. Im laufenden Wintersemester stieg die Zahl der Studieanfänger um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon profitieren auch die technischen Studiengänge. Doch bis die Studienanfänger auf den Arbeitsmarkt drängen, dauert es noch. In Deutschland brauchen angehende Ingenieure sechs bis sieben Jahre bis zum Diplom.

Der Mangel an geeigneten Fachkräften hat für die Unternehmen unangenehme Folgen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sehen 70 Prozent der Unternehmen mit Fachkräftemangel ihr Wachstum und ihre Konkurrenzfähigkeit gefährdet. 59 Prozent müssen neue Aufträge ablehnen und fast 47 Prozent haben Engpässe in der Produktion. "Rund drei Viertel der Firmen mit Fachkräftemangel investieren verstärkt in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter", sagt Dirk Werner, Arbeitsmarktexperte des IW.

Ein weiteres Instrument sei die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und der Arbeitsorganisation. Drei Viertel der vom IW befragten Unternehmen halten die Einführung von Arbeitszeitkonten für sinnvoll. Die Robert Bosch GmbH richtet ab Januar Arbeitszeitkonten für Fachkräfte ein. Sie können nun 40 Stunden pro Woche arbeiten, fünf Stunden mehr als im Tarifvertrag vorgesehen. Die Hälfte davon bekommen die Angestellten als Lohn ausbezahlt, die andere Hälfte wird auf das Arbeitszeitkonto eingezahlt. Nach 15 Jahren sparen die Arbeitnehmer so ein Jahr Arbeitszeit an. "Mit den Arbeitszeitkonten möchten wir den jungen Leuten attraktivere Jobs bieten", sagt eine Bosch-Sprecherin.

Das IW befragte die Unternehmen auch, ob sie eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderungspolitik für sinnvoll halten, um den steigenden Fachkräftebedarf zu decken: 40,1 Prozent antworteten mit Ja.

Maurice Shahd, Hannah Wilhelm

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