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Wirtschaft: Der Fall Bertelsmann

Für die alte Riege Bertelsmann ist die globale Medienwelt zu furchterregend geworden. Thomas Middelhoff, der Bertelsmann zur weltweit fünftgrößten Mediengruppe ausbauen wollte, wurde aus seinem Chefposten herauskatapultiert.

Für die alte Riege Bertelsmann ist die globale Medienwelt zu furchterregend geworden. Thomas Middelhoff, der Bertelsmann zur weltweit fünftgrößten Mediengruppe ausbauen wollte, wurde aus seinem Chefposten herauskatapultiert. Die Überraschung war groß, obwohl Middelhoffs Position schon lange nicht mehr so stark war wie einst. Trennungsgrund war offenbar der Bertelsmann-Börsengang, den Middelhoff gerne vorziehen wollte. Als das Internet noch eine Goldgrube war, folgte der Aufsichtsrat, der zu 58 Prozent von der Mohn-Familienstiftung kontrolliert wird, Middelhoffs Vorhaben. Doch als seine Strategie zu riskant wurde, wurde eine Erklärung verlangt. Jetzt steht ein Gang an die Börsen wieder zur Disposition. Und auch grundsätzlich fragt man sich, wie es mit Bertelsmann als globalem Medienkonzern weitergehen soll. Vorsicht scheint angebracht. In der Branche herrscht Flaute. Immerhin teilt Middelhoff sein Schicksal mit Robert Pittmann von AOL Time Warner und Jean-Marie Messier von Vivendi. Wie auch AOL-Gründer Steve Case glaubten diese Männer, dass das Internet eine Verschmelzung von Unterhaltung und Vertrieb ermöglichen würde, die global agierende Firmen am besten ausnutzen könnten. Middelhoff warb für diese Idee, machte Englisch zur offiziellen Sprache bei Bertelsmann und verlegte die Verlagsaktivitäten nach New York. All das missfiel den Traditionalisten aus Gütersloh. Dabei fiel durch das frühe Investment in AOL ein ordentlicher Gewinn von acht Milliarden für die Firma ab. Anderes wie der Napster-Kauf machte sich weniger gut. Middelhoff gelang es nicht, die weitgehend unabhängigen Unternehmensteile zusammenzubringen. Ein Börsengang hätte ihm mehr Macht verschafft. Dass der Aufsichtsrat ihm diese nicht zugestehen wollte, war vielleicht sogar angebracht. Middelhoff wurde also zum Opfer des kulturellen Umbruchs, den er selber provoziert hatte. Er stand für den global denkenden Manager, risikobereit und wachstumsorientiert. Der Aufsichtsrat aber will zurück in die Provinzialität. Der Rückzug von Middelhoff wird Bertelsmann weniger spannend erscheinen lassen. Und erst die Zeit wird uns zeigen, ob das nun gut oder schlecht ist. Eines hat sich aber wieder einmal bestätigt: Ein Chefposten ist keine Lebensstellung.

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