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Aufwärts. Die Zahl der Beschäftigten wird in diesem und dem kommendem Jahr weiter zulegen, prognostizieren die Institute. Foto: dpa

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Wirtschaft: Der Funke springt über

Die deutsche Wirtschaft kommt in Fahrt – aber nur allmählich, schreiben die Institute im Herbstgutachten.

Berlin - Ein viel versprechendes Gutachten wäre sicher nett gewesen, mit allerlei schönen Zahlen und eindrucksvollen Grafiken über die Lage der deutschen Firmen in den nächsten Jahren. Eine solche Studie hätte für gute Stimmung gesorgt, für Rückenwind beim Start in die neue Wahlperiode. Die Bundesregierung lässt sich die Arbeit der Wissenschaftler ja auch ein paar Millionen Euro im Jahr kosten.

Doch die führenden deutschen Wirtschaftsforscher mögen nicht die PR-Berater der Politik sein, deshalb legen sie an diesem Donnerstag in Berlin ausgesprochen ernüchternde Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung vor. Nur um 0,4 Prozent wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr wachsen, heißt es nach Tagesspiegel-Informationen vom Mittwoch im neuen Herbstgutachten der führenden deutschen Konjunkturforscher. Das ist nur noch halb so viel wie die Ökonomen im Frühjahr prognostiziert haben. Und das ausgerechnet in der heißen Phase der Regierungsbildung, in der es vor allem darum geht, neue Ausgaben zu beschließen.

Zwar finden die Instiute schöne Worte. „Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Aufschwung“, heißt es in der Expertise. Er werde getragen von der Binnennachfrage. Die Investitionen würden zudem „beflügelt“ durch das sich bessernde weltwirtschaftliche Umfeld und die abnehmende Unsicherheit in der Weltwirtschaft. „Die Tendenz bleibt aufwärts gerichtet.“ Doch für das kommende Jahr reicht es nur zu einem sehr mäßigen Wachstum. Das BIP-Wachstum werde sich auf 1,8 Prozent beschleunigen, heißt es weiter. Im Frühjahr hatten die Forscher noch 1,9 Prozent vorhergesagt.

Zum Kreis der Prognostiker gehört erstmals wieder das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin. Mit sieben Wissenschaftlern waren die Berliner nach Essen gereist, wo sie zusammen mit den anderen Instituten rund zwei Wochen über dem Gutachten brüteten. Neben dem Essener RWI sind das Münchner Ifo und das IWH aus Halle mit von der Partie. Große Überraschungen hält das Gutachten nicht bereit – die jeweiligen Prognosen der Institute unterscheiden sich nicht besonders stark von der Projektion im Herbstgutachten.

Bislang hat die deutsche Wirtschaft nach einer Stagnation im ersten Quartal im Frühjahr mit 0,7 Prozent deutlich zugelegt. Bislang treibt vor allem der Konsum das Wachstum, allmählich kommen aber auch die Investitionen der Unternehmen in Fahrt. Sie hatten sich seit Mitte 2011 rückläufig entwickelt, vor allem wegen der Unsicherheit über den Fortgang der Euro-Krise. Zuletzt war die Stimmung vor allem der Unternehmen aber wieder besser geworden, wie Umfragen zeigten.

Trotz des eher schwachen Wachstums wird sich die Beschäftigungslage nach Einschätzung der Gutachter weiter verbessern. In diesem Jahr werde die Zahl der Erwerbstätigen um 235 000 zunehmen, im kommenden noch einmal um 260 000, wie es in dem Bericht für die Regierung weiter heißt. Die Arbeitslosigkeit nimmt allerdings kaum ab – nach den Berechnungen der Forscher von 6,9 auf 6,8 Prozent im Durchschnitt des kommenden Jahres. Der Grund dürfte der anhaltende Zustrom von Arbeitskräften aus dem EU-Ausland nach Deutschland. sein.

Trotz der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte die Preisentwicklung unter Kontrolle bleiben. Die Inflation werde nach 1,6 Prozent in diesem Jahr nur leicht auf 1,9 Prozent steigen, wie aus der Studie hervorgeht.

Die Prognose der Institute gilt als Richtschnur für die Projektion der Bundesregierung, die das Wirtschaftsministerium am 23. Oktober vorlegen will. Bisher geht die Regierung für 2013 von einem BIP-Anstieg um 0,5 Prozent aus, 2014 sollen es 1,6 Prozent werden.

Will sich die neue Bundesregierung trotz der schwachen Daten mehr Spielraum verschaffen, hat sie nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds IWF dazu gleichwohl die Möglichkeit. Deutschland nutze sein Potenzial bei den Steuereinnahmen nicht aus und könne vor allem Besserverdienende stärker belasten, wie es in einer neuen IWF-Studie heißt. Wenn die Deutschen mit anderen entwickelten Ländern gleichzögen, würde das Aufkommen aus Steuern und Abgaben um 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.

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